Gefangen im Terror (German Edition)
besorgen und einpacken. Um keinen Verdacht zu erwecken, begab ich mich zu meiner Familie, die gerade das Abendessen vorbereitete.
Meine Schwestern waren wie immer guter Dinge und hatten speziell für Chamil eine Suppe gekocht, die ich ihm jetzt servieren durfte. Ich nahm mich zusammen, obwohl mir fast die Tränen kamen. Sie waren so voller Fürsorge für ihn und wir würden sie heute Nacht einfach verlassen. Chamil spürte meine Niedergeschlagenheit, als ich ihm die Suppe brachte. Er nahm stumm meine Hand und drückte sie.
Als alle schliefen, stahl ich mich aus dem Zimmer meiner Schwestern und ging in die Küche. Ich nahm nur ein paar Fladenbrote und Obst mit. Der Autoschlüssel lag an seinem gewohnten Platz auf der Truhe. Mein Vater war ein ordentlicher Mensch. Ich legte den Brief an meine Eltern auf den Tisch und ging zu Chamil. Gut, dass wir das Haus auf der Rückseite verlassen konnten. Es war nicht einfach mit ihm. Er setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen, ich stützte ihn von hinten. Obwohl Chamil nur wenig mehr als ich wog, brauchte ich meine ganze Kraft, ihn zum Auto zu bringen. Als er auf dem Beifahrersitz saß, stöhnte er und sagte: „Fahr ganz langsam an und ohne Licht, gib kaum Gas, sonst hören sie uns.“
Ich war keine gute Autofahrerin, da ich kaum Gelegenheit gehabt hatte, es richtig zu erlernen. Schon als ich den Zündschlüssel ins Schloss steckte, kam es mir vor, als ob ich einen Riesenlärm machte. Trotzdem gelang es mir, fast ohne Geräusch wegzufahren. Nachdem wir die erste Kurve hinter uns hatten, machte ich das Licht an und gab Gas. Chamil sagte: „Wir fahren jetzt in Richtung Norden.“ Ich überlegte nicht einen Moment, wohin wir fahren würden. Es war klar, dass Chamil wusste, was er tat. Die Nacht war mondhell und man konnte trotz der Dunkelheit die Bergkette im Norden erkennen. Wir fuhren kaum zehn Minuten, als Chamil sagte: „Bitte fahr jetzt ganz langsam, ich muss nach dem Pfad suchen.“ Dann wies er mich an, das Licht zu löschen und in ein schmales Flussbett abzufahren. Ich war noch nie mit einem Auto ins Gelände gefahren und gab kräftig Gas, um über das Geröll hinwegzukommen.
Chamil schrie auf: „Willst du mich umbringen? Wir halten hier an.“
Er nahm sein Handy und wählte. Dann sagte er: „Hallo Achmed, wir sind jetzt unten am Fluss. Bitte komm herunter und fahr das Auto hoch. Fatma kann das nicht.“
Er hatte also heimlich mit seinem Freund Kontakt aufgenommen. Jetzt würde ich ihn endlich kennen lernen. Hoffentlich war er so zuverlässig, wie Chamil ihn immer dargestellt hatte.
Wir warteten nicht lange, bis sich aus der Dunkelheit ein großer Mann auf unser Auto zu bewegte. Ich kletterte auf den Rücksitz. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich. Chamil sagte kein Wort über mich. Achmed steuerte das Auto trotz der Dunkelheit vorsichtig und fast geräuschlos flussaufwärts. Er ließ uns nach ca. 2 km aussteigen. Auch jetzt nahm er von mir keinerlei Notiz. Ich schleppte Chamil auf die Seite unter einen Böschungsvorsprung. Chamil wies mit der Hand auf eine Öffnung in der Böschung hin: „Da hinein“, sagte er mit matter Stimme. Achmed war wieder ins Auto gestiegen und in der Dunkelheit verschwunden. Chamil stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und mit großer Mühe schleppte ich ihn in den engen Eingang auf einen Lichtschein zu. Im Inneren der Höhle war es durch ein paar Fackeln hell genug, dass wir eine Lagerstatt erkennen konnten. Dort legte ich Chamil ab. Ich war schweißgebadet und unfähig, etwas zu sagen. Sollte das unser neuer Aufenthaltsort sein?
Kurz darauf kam Achmed zurück. Er brachte meinen Rucksack und die Essensvorräte. Im Licht der Fackeln blickte ich ihm zum ersten Mal ins Gesicht. Er nickte mir zu und sagte: „Willkommen im Untergrund“, dabei lächelte er ironisch und wandte sich an Chamil: „Ich habe hier einen guten Schuss für dich, das macht dich wieder einsatzfähig.“ Achmed holte aus einer weißen Sanitätskiste eine Spritze, zog sie auf und setzte sich zu Chamil auf das Lager. Chamil hatte bereits seinen Ärmel aufgekrempelt und den Oberarm durch seinen Gürtel abgeschnürt. Konzentriert und ohne zu Zögern setzte Achmed die Spritze. Chamil ließ sich entspannt zurückfallen.
Unverwandt hatte ich Achmed beobachtet. Er war es. Ich war ganz sicher. Auch ohne den Dreitagesbart hatte ich ihn wieder erkannt. Er war der Terrorist aus der Schule, der uns zuletzt bewacht hatte. Ich konnte es kaum fassen. Er
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