Gefangen im Terror (German Edition)
brachten mir Tee und Süßes oder setzten sich einfach in die Ecke und sahen mir zu. Meine Schulbücher interessierten sie nicht, sie konnten auch nicht verstehen, warum ich arbeiten wollte.
Aimani war die Klügere der beiden. Sie interessierte sich manchmal für Zeitungen, die ich in Tbilisi gekauft hatte. Sie war neugierig auf alles was in der Welt geschah. Oft konnte ich ihre Fragen nicht beantworten, weil sie so lange nachfragte, bis auch ich keine Antwort mehr wusste.
Sie sagte einmal zu mir: „Du bist wie ein Bruder für mich, du musst dir nur die Haare abschneiden.“
Meine Mutter war sehr stolz auf mich, auch wenn sie es nicht direkt sagte. Sie besaß keine Schulbildung und konnte auch nicht lesen. Mein Vater hatte sie in einem kleinen Bergdorf während des Krieges kennengelernt. Er hatte sie mit in die Stadt gebracht, da sie ihre Familie verloren hatte. Dafür war sie ihm ein Leben lang dankbar. Während meines Aufenthaltes in Tbilisi steckte sie mir immer heimlich Geld zu, wenn ich nach Hause kam. Auf sie konnte ich mich immer verlassen. Ich hatte ihr von meinem anderen Leben in Tbilisi nie etwas erzählt. Für sie war ich die gute Tochter, die ihren eigenen Weg ging.
Kurz nach Mitternacht fuhr Achmed auf der Straße nach Nasran bis zur Brücke. Auf der Straße waren keine Autos mehr unterwegs. Die Suche der Hubschrauber schien auch eingestellt zu sein. Das Brückengeländer war zu hoch und zu stabil, um das Auto abstürzen zu lassen. Es erwies sich als schwieriger als gedacht, den Jeep loszuwerden. Er musste ihn seitlich auf eine Anhöhe steuern, um ihn in den Fluss stürzen zu lassen. Achmed verließ mit dem Fahrzeug die Straße und fuhr kreuz und quer über den Berg, der oben steil in den Fluss abfiel. Die letzten paar Meter keuchte das Auto, weil es so steil war, und Achmed befürchtete, dass der Jeep umkippte. Als er endlich oben war, stieg er aus und blickte den Abhang hinunter. Dann stieg er noch Mal in das Fahrzeug, überprüfte, ob er alles entfernt hatte und löste die Handbremse. Er ging hinter das Auto und schob es mit aller Kraft an. Der Jeep flog hinunter wie ein Stein und blieb auf dem Dach liegen. Das Wasser war zu seicht, als dass das Auto darin untergehen konnte. Als Achmed sich abwandte, hörte er einen Knall. Der Jeep stand in Flammen und Achmed rannte querfeldein in einem großen Bogen zurück zur Höhle. Er achtete darauf, nur steinige Pfade zu benutzen, um keine Spuren zu hinterlassen. Der Jeep würde spätestens bei Tagesanbruch gefunden und dann würde man auch nach dem Fahrer suchen. In der Höhle war er vorerst sicher und Achmed stellte sich darauf ein, ein paar Tage dort zu verbringen.
Nachdem es in der Höhle immer noch nach Rauch und Verwesung roch, schlief Achmed in dieser Nacht vor der Höhle auf Decken, die er aus dem Jeep ausgeräumt hatte. Der umgestürzte Baum war eine willkommene Tarnung.
Die Sonne weckte ihn sehr früh und er öffnete die beiden Kisten, die er in den Höhleneingang geschoben hatte. Ein Blick ins Innere ließ Achmed für einen Moment die Luft anhalten. Jetzt war er sicher: man würde nach ihm suchen! Dieses Gerät war äußerst wertvoll, nicht nur fürs Militär. Achmed bastelte den ganzen Vormittag an der Installation des Navigationsgerätes. Das größte Problem dabei war der elektrische Strom. Er konnte den Generator, der in der Höhle war, nicht ständig laufen lassen. Deshalb dauerte der Anschluss der Antenne und des Bildschirms auch so lange. Als Achmed die ersten Bewegungen auf dem Schirm wahrnahm, dankte er Allah für dieses Geschenk des Himmels. Mit dieser Anlage konnte er alle Bewegungen des Militärs orten, Peilungen vornehmen und Beobachtungen in großer Entfernung machen. Er würde außerdem für ein neues Netzwerk gute Dienste leisten. Achmed war fest überzeugt, dass er schon bald eine neue Truppe Gotteskrieger zusammenstellen würde, um den tschetschenischen Freiheitskampf fortzuführen.
Er konnte nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Seit fast zwei Wochen war er dort ohne Erklärung nicht mehr aufgetaucht. Außerdem waren inzwischen sicher die fehlenden Elektronikteile und Kabelrollen entdeckt worden, die er für die Anschlüsse der Sprengstoffpakete gebraucht hatte. Chamil hatte ihm immer wieder neue Materiallisten gegeben, die er besorgen musste. Achmed plante, sich zunächst nach Afghanistan abzusetzen, bis die Behörden sich wieder anderen Aufgaben zuwenden würden. Aber ohne Kontakte zu Freunden und ohne Fahrzeug
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