Gefangen im Terror (German Edition)
würde es schwierig werden. Zu viele der Gotteskrieger waren bei dem Einsatz in der Schule gestorben. Er brauchte unbedingt Chamil.
Nach unserer Rückkehr aus Grosny fand ich Chamil in meinem Zimmer noch in der gleichen Haltung, wie ich ihn verlassen hatte. Er lag ausgestreckt auf meiner Matratze, die Augen halb geöffnet. Den Blick nach innen gerichtet. Seine große Nase wirkte noch kantiger als sonst. Die Hände lagen auf der Decke und sahen fahl und faltig aus.
Ich setzte mich zu ihm. Was war in meiner Abwesenheit geschehen? Chamil wandte mir den Kopf zu und sagte: „Warum hast du mir das mit Mehmet verschwiegen?“ "Wer hat es dir denn gesagt?", fragte ich entsetzt. "Aimani", antwortete er leise. Ich war selbst schuld, denn ich hatte ihr nicht verboten, mit Chamil zu sprechen.
„Chamil“, begann ich in ruhigem Ton, „du bist so krank, ich konnte es dir einfach noch nicht sagen.“ „Es ist mein Bruder, verstehst du denn nicht?“ „Natürlich verstehe ich dich. Aber du lebst und musst weiterleben. Das ist im Moment das Wichtigste!“
Sein Blick verlor sich wieder. „Ich weiß“, sagte er kaum hörbar. Ich erzählte ihm kurz von seiner Mutter und seinen Schwestern, aber ich war nicht sicher, dass er mir überhaupt zuhörte. „Sie will, dass du hier bleibst, weil Soldaten nach dir in Grosny gesucht haben“, sagte ich, indem ich mich erhob.
Chamil schreckte zusammen. „Dann kann ich auch hier nicht mehr bleiben“, gab er mir zur Antwort. „Sie werden mich finden!“ „Du hast doch nichts getan“, sage ich, „warum sollten sie dich suchen?“ „Das kann ich dir nicht erklären, aber ich muss schnellstens weg. Heute Nacht noch.“ Ich sah ihn entsetzt an: „Du bist viel zu schwach und wo willst du denn hin? „Fatma du musst mir helfen, wenn ich hier bleibe, werden sie nicht nur mich töten, sondern auch euch bestrafen.“ Er hatte sich mit beiden Händen abgestützt und seinen Oberkörper an die Wand gelehnt. „Du bist auch ein Terrorist“, brach es aus mir heraus. Chamil sah mich niedergeschlagen an: „Fatma, es tut mir leid.“
Ich verließ das Zimmer und ging zum hinteren Eingang hinaus. Mein Entsetzen stand mir sicher ins Gesicht geschrieben. Ich musste ein paar Minuten allein sein. Unser Garten grenzte an einen Olivenhain und ich stieg die Anhöhe hinauf und setzte mich auf einen Wurzelstock.
Obwohl ich es befürchtet hatte, wusste ich nicht, wie ich jetzt reagieren sollte. Ich konnte ihn doch nicht ausliefern. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass er nicht der war, für den ich ihn die ganze Zeit gehalten hatte. Es passte nicht zusammen: Chamil und Terrorist. Die Geiselnehmer waren Gangster und Chamil sollte auch einer von ihnen sein? Warum hatte ich nie etwas bemerkt? Mein Vertrauen in ihn war dahin. Er war jetzt auf meine Hilfe angewiesen und ich musste reagieren. Aber wie? Mein Vater hatte schon einen Verdacht gegen Chamil. Was, wenn er doch die Miliz verständigte? Viele Gedanken gingen mir gleichzeitig durch den Kopf.
Chamil hatte Recht, er musste so schnell wie möglich verschwinden. Aber das konnte ich meinen Eltern nicht erklären. Es half alles nichts, ich konnte Chamil nicht im Stich lassen, ich würde mit ihm zusammen weggehen. Irgendwie würden wir einen Platz finden, wo wir bleiben konnten.
Ich ging zurück zum Haus. Meine Mutter kam mir entgegen. „Wo treibst du dich denn herum?", fragte sie vorwurfsvoll. „Chamil geht es ziemlich schlecht.“ In diesem Moment fühlte ich, dass es ganz egal war, was mit uns passieren würde, es ging meine Mutter nichts an. Sie hatte mir keine Vorwürfe zu machen. Es war mein Leben, meine Entscheidung, wie es weitergehen würde. Ohne zu antworten ging ich an ihr vorbei ins Haus.
Chamil erwartete mich ungeduldig. Warum läufst du weg?", fragte er tonlos. „Wir müssen verschwinden.“ „Ich musste nachdenken“, gab ich ihm zur Antwort. „Wenn es dunkel ist, gehen wir. Wir nehmen das Auto meines Vaters.“
Chamil sah mich überrascht an, aber in seinen Augen sah ich, dass ein Schimmer Hoffnung in ihm aufkeimte. Er hatte verstanden. Ich würde ihn nicht im Stich lassen. Wir sprachen nun nicht mehr miteinander. Unser kleines Haus hatte dünne Wände. Wir mussten auf der Hut sein.
Es gab nicht viel, was ich mitnehmen konnte. Ein paar Kleidungsstücke, meine ganz persönlichen Sachen wie Handy, Waschzeug und ein paar Bücher waren schnell in einem Rucksack verstaut. Wenn meine Eltern schliefen, würde ich noch ein paar Lebensmittel
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