Gefangen im Terror (German Edition)
vorstellen.
Achmed blickte stumm vor sich hin. Er zeigte kein Interesse, das Gespräch wieder aufzunehmen. Chamil sagte schweren Herzens: „Fahren wir zurück. Morgen ist es so weit.“
Achmed konnte seinem Freund nicht die Wahrheit sagen. Sie waren lange Zeit Freunde gewesen und er hatte Chamil als zuverlässigen Mitarbeiter und ehrlichen Mann geschätzt. Dass ihn die Liebe zu einer Frau jedoch die heilige Sache verraten lassen würde, konnte er nicht verstehen. Warum konnte Fatma nicht weiterhin mit ihnen als Terroristin arbeiten. Sie war aufgrund ihrer Intelligenz hervorragend dafür geeignet. Nachdem sie jetzt die Grundausbildung absolviert hatte, würde sie sich schon fügen. Davon war Achmed überzeugt.
Wenn Chamil im Irak aussteigen würde, dann musste er entsprechend reagieren.
Er würde ihn verlieren, aber damit war auch Fatma aus seinem Leben verschwunden. Und das war gut so. Achmed hatte es zuerst nicht wahrhaben wollen, dass er Fatma begehrte. Sie war die Frau seines Freundes und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass eine Frau ihm all das geben könnte, wonach er jahrelang gesucht hatte. Er hatte sie unbemerkt beobachtet. Ihre Bewegungen, ihr Duft und ihr unnachahmlicher Klang in der sanften Stimme hatten ihn fasziniert. Obwohl Achmed eine gewisse Eifersucht verspürte, wenn Chamil Fatma berührte, verstand er den Freund nicht. Mehr noch, er verachtete ihn dafür, dass er sich dieser Faszination, die von ihr ausging, nicht entziehen konnte. Doch nach diesem Einsatz würden sich ihre Wege endgültig trennen und er würde Fatma vergessen.
Er wollte noch in diesem Jahr einen längeren Urlaub in Anspruch nehmen und ans Rote Meer fliegen. Seine Familie lebte dort. Er würde eine Zeit lang dem Terrorismus den Rücken kehren, um sich zu erholen. Und seine liebe Schwester hatte inzwischen sicher wieder eine neue Ehefrau für ihn gefunden. Er müsste nur ihre Vorschläge endlich ernst nehmen und heiraten.
Der nächste Tag verging mit Lernen. Ich war wahnsinnig aufgeregt, als wir aufgefordert wurden, in den Autos Platz zu nehmen. Wir fuhren nach Kabul zum Flugplatz. Wir reisten in der Touristenklasse, wie mir Achmed erklärte. Meinen neuen Pass brauchte ich erst im Irak. Vorher war ich noch Chamils Frau. Immerhin hatte man mir auch dafür einen eigenen Pass ausgehändigt. Ich war immer wieder überrascht, wie diese Organisation funktionierte. Seit ich in der Terroristenszene war, hatte ich mich nicht mehr um mein Essen oder andere persönliche Dinge gekümmert. Es passierte alles wie von Geisterhand. Selbst Geld hatte ich seit über einem Monat keines gebraucht. Und jetzt hatte ich ein ganzes Bündel irakischer Geldscheine im Gepäck. Chamil hatte mir erklärt, dass er über mehr als die doppelte Summe verfügte.
Als ich ihn gefragt hatte, wer das denn alles finanziere, zuckte er nur mit den Schultern und antwortete: „Darüber brauchen wir uns keine Gedanken machen. Es gibt so viele einflussreiche reiche Leute, die daran interessiert sind, dass wir ihnen die Drecksarbeit abnehmen. Dafür dürfen sie gut bezahlen.“ Dabei lächelte er mich schelmisch an. Er genoss es offenbar, immer über genügend Geld zu verfügen und war auch nicht bereit, weiter darüber nachzudenken woher es kam. In der Zeit, als wir noch in Tbilisi studierten, war mir bereits aufgefallen, dass Chamil über mehr Geld verfügte als ich. Damals hatte ich gedacht, seine Familie wäre reich.
Nachdem ich bei meinem Besuch bei Chamils Mutter in Tbilisi die ärmlichen Verhältnisse kennen gelernt hatte, aus denen er stammte, wurde mir manches klar. Er war damals schon als Terrorist aktiv gewesen und hatte dafür Geld erhalten. Seine häufigen Treffen mit Achmed, die mich eifersüchtig gemacht hatten, waren damit auch zu erklären. Er hatte mir nicht vertraut. Ich dagegen hatte ihm alles gegeben. Und obwohl ich gläubige Muslimin war und wusste, was es bedeutete nicht als Jungfrau in die Ehe zu gehen, hatte ich mich selbst über dieses Verbot hinweggesetzt. Nach dem was ich heute wusste, erschien es mir im Nachhinein als schwerer Fehler. Mit meiner Gutgläubigkeit hatte mein Verhängnis angefangen. Ich hatte fast schon meinen Glauben verloren, meine Unschuld und meine Freiheit. Was war mir noch geblieben, außer Chamil?
Obwohl ich meine Fehler klar einsah, war es jetzt nicht mehr möglich, den Dingen einen anderen Verlauf zu geben. Ich musste mich in mein Schicksal fügen, wie so oft in den vergangenen Wochen.
6.
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