Gefangen im Zwielicht
Villa geschehen war und wie er ihm anschließend das Gedächtnis gelöscht hatte. Mit jedem Wort mehr sah er, wie sehr Leon litt, und es schmerzte ihn bis ins Tiefste seiner dunklen Seele. Doch es musste sein … nur so konnte er ihn vor weiterem Unheil bewahren. In Leons Augen standen Tränen, die er jedoch tapfer zurückhielt. Alexei spürte, wie sich starker Zorn in Leon aufbaute und zu einem gewaltigen Orkan zusammenbraute. Als er damit endete, dass seine Mutter 1898 getötet wurde und er über einhundert Jahre alt war, explodierte das Pulverfass.
Leons Lippen bebten, eine einzelne Träne löste sich und lief seine Wange hinunter. Sein Gesicht war eine einzige, schmerzerfüllte Maske und seine Fäuste hielt er geballt an den Seiten. Im nächsten Moment schoss er vor und schlug Alexei hart ins Gesicht.
„Du mieses Arschloch!“ Sein Schlag war kraftvoll, doch für Alexei viel zu schwach. Er rührte sich nicht von der Stelle, was Leon einen Moment innehalten ließ.
„Leon. Hör mir doch zu.“
„Nein, du hörst mir zu, Alexei!“ zischte er außer sich. „Du verschwindest auf der Stelle, bevor ich mich vergesse! Du hast mich die ganze Zeit verarscht … ich hätte merken sollen, dass du voll der Psycho bist!“ Seine zitternde Hand zeigte zur Tür. „Raus!“
Alexei machte noch einen Versuch und wollte auf ihn zugehen, doch Leon funkelte ihn wütend an und hob erneut eine Faust. Sein Gesicht war so voller Hass und Zorn, dass es wie ein Stich in Alexeis ohnehin blutendes Herz war.
„Ich sage die Wahrheit!“, stieß er voller Verzweiflung hervor. „Ich bin ein verdammter Vampir.“
Leon unterdrückte einen hilflosen Schluchzer und fing an, Alexeis restliche Kleidung und Schuhe aufzusammeln, die verstreut am Boden lagen. Er knäuelte alles zusammen, hetzte wie ein Geisteskranker auf Alexei zu und knallte ihm das Bündel an die Brust.
„Zieh deine Sachen draußen an und lass dich nie wieder hier blicken, ich warne dich! Und zieh Tom da nicht mit hinein. Ihn für deine Zwecke auszunutzen und sich einen Spaß aus seinen Wahnvorstellungen zu machen, das ist verdammt schäbig!“
„Wie kannst du nach dieser wundervollen Nacht so von mir denken? Sieh mich an, Leon! Sehe ich so aus, als würde ich scherzen? Sieh in meine Gedanken, ich bin ein Vampir, ich bin ein verdammter Untoter!“ Alexei litt grausame Qualen, doch Leon wollte ihn nicht mehr anhören.
„Ich werde nicht noch einmal in deinen kranken Schädel sehen. Das was du erzählst reicht mir völlig! Du bist ja wahnsinnig! Genau wie Tom. Ihr seid plötzlich alle wahnsinnig!“ Leon stürmte auf die Tür zu und riss sie auf. Er hielt den Blick gesenkt, als Alexei an ihm vorbeiging.
„Ich sage die Wahrheit, Leon. Und du weißt das. Hör in dich hinein, lies meine Gedanken.“
***
Ich wollte nichts mehr hören und schlug die Tür hinter ihm zu. Dann ließ ich mich auf den Boden hinuntergleiten. Meine Kehle war so eng, dass ich nicht wusste, ob ich mich übergeben oder ersticken wollte. Der Schmerz, tief in mir, war so stark, dass sich ungewollt ein lauter Schluchzer meiner Kehle entrang. Ich zog die Knie an, legte meine Arme darauf ab und vergrub das Gesicht darin. Ich fühlte eine quälende Leere, mein Körper war eine seelenlose Hülle, seiner Gefühle und Empfindungen beraubt. Wie hatte ich mich in Alexei nur so täuschen können? Ich begann am ganzen Körper zu zittern und konnte mich nicht beruhigen.
Das Schlimmste war, dass in meinem Kopf drei Möglichkeiten kreisten, wobei die dritte absolut absurd war.
Erstens: Er war völlig durchgeknallt.
Zweitens: Er wollte mich loswerden. Aber dann hätte ich mich die ganze Zeit über sogar durch seine Gedanken täuschen lassen.
Drittens: Er sagte die Wahrheit.
Hysterisch lachend fuhr ich mir durch das Haar. Ich erschrak über den Klang meiner Stimme, glaubte den Verstand zu verlieren. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, irgendetwas kurz und klein zu schlagen. Ich sprang auf, mit einem Wutgebrüll stürzte ich mich auf das Sideboard im Flur und räumte es mir einer ausholenden Armbewegung ab. Gerahmte Bilder, Rechnungen und die Station des schnurlosen Telefons schepperten zu Boden und landeten schlitternd auf den Fliesen. Der Telefonhörer lag noch da. Ich griff danach und schmetterte ihn unter einem weiteren, gepressten Schrei gegen die Wand. Er zerschellte in mehrere Einzelteile. Dann sank ich wieder zu Boden und konnte meine Tränen nicht mehr länger zurückhalten.
Ich wusste nicht,
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