Gefangen im Zwielicht
blutverschmierten Gesicht zusammenzog und langsam verschwand. Ich befreite ihn von den Scherben, als er sich mit einem Ruck aufsetzte und mich hart an meine Brust zog.
„Leon.“ Er atmete heftig, sein Brustkorb bebte. Ich schlang die Arme um ihn.
„Alexei, ich hatte so eine Scheißangst um dich. Was ist mit den anderen?“
Er brauchte einige Sekunden, bevor er mir eine Antwort gab. Alexei presste mich noch enger an seinen Körper, als hätte er Angst, ich könnte mich in Luft auflösen.
„Vater hat Adriana und Razvan davon abhalten können, mich in Stücke zu reißen“, antwortete er bestürzt. Er wirkte ratlos und verlassen.
Ich schob ihn sanft ein Stück von mir und blickte in seine grünen, von Schmerz und Zorn erfüllten Augen. In der nächsten Sekunde presste ich meine Lippen kurz und hart auf seinen Mund. Dann legte ich meine Stirn an die seine. Ein tiefes Seufzen drang aus seiner Kehle, sein Atem streichelte meine Lippen. Er legte beide Hände an meine Wangen.
„Du bist mein Leben, Leon“, flüsterte er. Einen Moment vergaßen wir alles um uns herum, meine Liebe zu ihm überwältigte mich.
Dann fiel mir der arme Tom wieder ein, und ich räusperte mich, den Blick auf meinen besten Freund gerichtet. Er hielt seine verletzte Hand und beobachtete uns peinlich berührt. Sein Gesicht war weiß wie Kalk.
Wir erhoben uns, ich beobachtete, wie Alexei zu Tom hinüberging und sich vorsichtig neben ihm niederließ. Tom starrte rasch auf den Boden.
„Wirst du mir vertrauen, Vampirjäger?“ Alexei wollte nach Toms Arm greifen, doch der zog ihn zurück. Ich kniete neben den beiden nieder und legte meine Hand auf Toms Schulter.
„Komm schon, Tom. Er will dir helfen.“
Tom atmete tief durch, beäugte Alexei noch immer kritisch, nickte jedoch schließlich. Behutsam entwickelte Alexei Toms Hand und legte den blutigen Fingerstumpen frei. Ich hielt den Atem an.
„Es tut mir leid. Ich kann dir den Finger nicht zurückgeben, dazu ist es zu spät. Aber ich kann die Wunde heilen.“ Alexei hob seine Hand in Richtung des Fensters, das sich auf den mentalen Befehl zusammensetzte und die Jalousie hinabfahren ließ. Dann bedeutete er Tom, sich auf das Sofa zu legen.
„Es wird nicht wehtun und du wirst schlafen, nachdem die Wunde verschlossen ist.“ Er legte seine Handflächen über Toms verstümmelten Finger und wollte gerade die Augen schließen, als Tom nach seinem Unterarm griff.
„Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich hab mich in dir getäuscht. Auch wenn du ein verdammter Blutsauger bist, und meinen besten Freund schwul gemacht hast, bist du in Ordnung, denke ich. Tu Leon nicht weh, sonst schlag ich dir den Kopf ab.“
„Tom. Spiel nicht den Märtyrer.“ Ich trat an das Sofa und rollte mit den Augen. Alexei lächelte.
„Schon gut, Leon. Er hat ja recht. Du kannst froh sein, so einen treuen Freund zu haben.“
„Das bin ich auch.“ Ich legte meine Hand auf Toms Schulter.
Alexei umschloss Toms Verletzung mit beiden Händen und konzentrierte sich. Toms Lider flackerten bald, dann fielen seine Augen zu.
„Er wird eine Zeit lang schlafen, aber er wird wieder gesund.“
Nachdem Alexei die Wunde mit einem Verband aus meiner Hausapotheke verbunden hatte, erhob er sich. Er nahm mich an der Hand, führte mich aus dem Wohnzimmer und schloss die Tür.
Alexei war wunderschön, obwohl er müde und erschöpft wirkte. Sein Hemd war an der Schulter blutgetränkt und hing in Fetzen von seinem Oberkörper. Nun, da Tom tief und fest schlief und wir alleine waren, schien jegliche Spannung von ihm abzufallen und er senkte betroffen den Blick.
„Leon …ich weiß, ich kann nicht wieder gut machen, was ich dir …“
„Alexei“, unterbrach ich ihn und strich sachte über seine Wange. „Du bist verletzt.“
„Der Heilungsprozess ist fast abgeschlossen. Keine Sorge.“
Ich begriff jetzt erst richtig, was es zu bedeuten hatte, wer und – vor allem – was Alexei war. Und diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Alles brach wie ein emotionales Gewitter über mich herein. Ich griff nach seinem Hemdkragen und schloss meine Finger krampfhaft um den Stoff.
„Warum? Warum ausgerechnet du , sag es mir?“ Ich konnte und wollte meine Gefühle und Empfindungen nicht mehr vor ihm verstecken. Meine Kehle wurde eng, Tränen stiegen in meine Augen, und ich blickte beschämt zur Seite.
Alexei zog mich wortlos in seine Arme, wir klammerten uns aneinander wie Ertrinkende.
„Erzähl mir von den Vampiren“,
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