Gefangen in der Schreckenskammer
und
geknebelt.“
„Ja. Man muß ihn unbedingt beschatten.
Was meinst du, hat er den Boxerwelpen erschossen?“
„Schon möglich. Vielleicht mit ‘nem
Gewehr aus einem der Fenster im Dachgeschoß. Von dort kann er in den Park
einsehen. Auch das kriegen wir raus. Aber das darf jetzt nicht im Vordergrund
stehen, Karl. Erst geht’s um Gaby. Deshalb strampele ich noch nicht in die
Penne zurück, sondern werde am Capitol lauern. Ich habe so eine Ahnung. Ich
glaube, Lambster wird sich nach der Spätvorstellung keineswegs spornstreichs
hierher begeben, sondern... Aber das werden wir sehen. Du bist dabei?“
„Da fragst du?“
In der Diele stand ein Telefon.
Tim griff zum Hörer.
„Den Kommissar?“ fragte Karl.
Tim nickte. „Der Ehrlichkeit halber
legen wir irgendwo das Geld für ein Ortsgespräch hin. Von dem Cowboy-Typ lassen
wir uns nichts schenken.“
Glockner meldete sich.
„Ich bin’s“, sagte Tim. „Sie werden
sehr verärgert über uns sein, Herr Glockner. Aber Karl und ich hielten es für
richtig, Lambsters Villa zu durchsuchen. Es wäre ja möglich gewesen, daß Gaby
hier ist. Leider ist sie’s nicht. Sachschaden ist fast gar nicht entstanden.
Wir haben nur eine kaputte Scheibe am Kellerfenster noch etwas kaputter
gemacht. Jetzt kratzen wir die Kurve. Wie ich sehe, fängt’s wieder an zu
schneien. Das deckt unsere Spur im Garten zu. Lambster wird gar nicht merken,
daß wir hier waren.“
Glockner schwieg einen langen, langen
Augenblick. „Seid vorsichtig“, sagte er dann. „Später ziehe ich euch die Ohren
lang. Das hat Zeit.“
„Da wäre noch was.“
Tim berichtete von dem toten Hund und
beschrieb die Stelle, wo der Kadaver lag. Er erwähnte Lambsters Waffensammlung
und den Korditgeruch (Kordit — fadenförmiges Schießpulver) an dem
KK-Gewehr, enthielt sich aber der Schlußfolgerung.
Glockner sagte, für die Beseitigung des
Kadavers werde er sorgen.
„Sobald du mir die Steuermarke bringst,
Tim, stellen wir den Besitzer fest. Übrigens: Lambster wird beschattet. Um das
zu bewerkstelligen, brauche ich keine richterliche Erlaubnis. Das regeln wir
innerhalb unserer Abteilung. Leider ist im Moment kein Kollege da, der ihn
übernehmen kann. Aber ab der Frühschicht geht’s los.“
Beinahe hätte Tim seine und Karls
Absicht verraten. Aber er wollte Gabys Vater nicht noch mal beunruhigen und
unterließ es deshalb.
10. Mutter und Tochter
Sie hatten sich über den Zaun
geschwungen. Schneeflocken fielen. Karl rutschte aus, als sie über die Straße
liefen. In dem Moment hörte Tim die Stimme.
Ein Mädchen rief. Sie war irgendwo im
Park.
„Karl, die Stimme kenne ich doch.“
„Klingt sehr nach Natascha. Aber um
diese Zeit? Sie wohnt zwar hier in der Nähe, das weiß ich, trotzdem kann ich
mir nicht vorstellen...“
„Pst! Hör mal!“
Die Stimme näherte sich.
„Bellooo!“ Pause. „Bellooooooo!“ Es
klang lockend und ängstlich zugleich. „Wooo bist du? Belloooo...“
Tim fühlte einen Stich in der Brust.
Kein Zweifel! Die Stimme gehörte Natascha
Senf, dem Mädchen, um das er und Klößchen sich schon Sorgen gemacht hatten —
wegen Nataschas Schwermut, die seit der endgültigen Trennung ihrer Eltern
bedrohliche Ausmaße annahm.
Sie rief nach ihrem Hund. Und man mußte
kein Hellseher sein, um zu wissen, daß es ein Boxerwelpe war — gewesen war — ,
ein Welpe mit weißen Pfoten.
„O nein!“ stöhnte Karl. „Nicht das
noch! So gemein benimmt sich kein Schicksal. Ich wußte nicht, daß sie einen
Hund hat.“
„Also war Bello sein Name. Wir dürfen
ihr nicht sagen, daß er tot ist. Das würde ihr seelisch den Rest geben. Ein
junger Hund, der kann entlaufen — und irgendwem zugelaufen sein. Besser, sie
glaubt daran, Karl.“
Sie sohlten sich den Weg entlang. Weit
vor ihnen bewegte sich schwankend der Strahl einer Taschenlampe.
Sie hielten darauf zu und erkannten
zwei Gestalten: eine Frau und ein Mädchen. Beide suchten offensichtlich,
blieben häufig stehen und richteten den Strahl in die Büsche.
Während Tim und Karl nähergingen,
machte Tim auf sich aufmerksam.
„Natascha, bist du’s?“
Die Klassenkameradin wurde von ihrer
Mutter begleitet.
Die Jungs kannten sie noch nicht und
wurden von Natascha vorgestellt.
Frau Senf hatte eine angenehme Stimme.
Sehen konnten sie nichts von der Frau — wegen der Dunkelheit. Unter ihre Kapuze
zu leuchten, wäre zu dreist gewesen.
Natascha war fast 14, ein graziles
Mädchen mit dunklen Augen, braunem Haar und
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