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Gefangen in der Schreckenskammer

Gefangen in der Schreckenskammer

Titel: Gefangen in der Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Stupsnase. Sie trug neuerdings
Popperschnitt mit Kante und fast immer Ohrringe.
    „Habt ihr Bello gesehen?“ fragte sie —
und war offensichtlich den Tränen nahe. „Unseren Hund. Wir haben ihn erst zwei
Monate. Um sieben bin ich hier mit ihm spazierengegangen. Er folgt schon ganz
gut. Da habe ich ihn von der Leine gelassen, und dann war das mit dem Knall.“
    „Womit?“ fragte Tim.
    „Natascha hat sich bestimmt geirrt“,
schaltete Frau Senf sich ein. „Ich kann nicht glauben, daß hier im Park jemand
Schießübungen macht und beinahe meine Tochter trifft. Das wäre unfaßlich.“
    Das Mädchen hob die Achseln in ihrem
Steppmantel. „Ich weiß auch nicht. Aber es hat plötzlich geknallt. Ein scharfer
Knall — wie ein Schuß. Und von dem Baum, neben dem ich stand, ist ein großes
Stück Rinde abgesplittert. Es flog mir ins Gesicht. Am Stamm — vielleicht finde
ich den Baum wieder - war eine helle Stelle. Unseren Bello hatte ich gerade von
der Leine gelassen. Der Knall muß ihn erschreckt haben. Er ist weggerast wie
ein Wilder. Es hat dann noch mal geknallt — drüben an der Straße. Aber das
klang leiser, war wohl kein Schuß. Ich habe nach Bello gerufen und eine Stunde
gesucht. Hier im Park und in den Straßen ringsum. Wer weiß, wohin er gelaufen
ist! Ob er zurückfindet? Ihr versteht doch was von Hunden. Er ist erst fünf
Monate alt.“
    „Wie schnell sich ein Hund entwickelt“,
sagte Karl vorsichtig, „hängt von der Rasse ab.“
    „Unserer ist ein Boxer“, erklärte Frau
Senf. „Er hat weiße Pfoten und ein weißes Zeichen an der Brust. Mach dir keine
Sorgen“, wandte sie sich an ihre Tochter, „er hat die Hundemarke um. Jemand
wird ihn einfangen und ins Tierheim bringen. Dann kriegen wir ihn zurück.“
    „Aber wenn er überfahren wurde...“
Natascha konnte das Schluchzen nicht länger unterdrücken.
    „Ohhhhh!“ meinte Tim. „Ich glaube, daß
da eher eine andere Gefahr droht. Boxerrüden, junge, sind wahnsinnig beliebt
zur Zeit. Hast du mal in den Zoo-Handlungen gesehen, Natascha, was für irre
Preise da gefordert werden? Ich will ja kein Schreckgespenst an die Wand malen
— aber ich kann mir vorstellen, wo Bello jetzt ist. Nämlich irgendwo in einem
schönen Haus, auf einem dicken Fell am Kaminfeuer. Er liegt dort, knabbert an
einem Kotelettknochen und wird allmählich müde — nach den Aufregungen des
Abends. Und ein Hundeliebhaber, ein ganz fanatischer, und dessen Frau —
vielleicht auch die Kinder — können sich nicht satt an ihm sehen. Sie haben ihn
ins Herz geschlossen, sofort. Sie sind keine Diebe, keine schlechten Menschen.
Aber der Familienrat hat entschieden, Bello zu behalten. Weil alle vernarrt in
ihn sind. Daß er Bello heißt, wissen sie natürlich nicht. Sie nennen ihn
Primus, Burle, Arco oder Schnuffl. Und sie überlegen, ob sie ihm vielleicht die
Pfoten braun anmalen, damit er nicht erkannt wird vom bisherigen Besitzer
und...“
    „Hör auf!“ schrie Natascha ihn an. „Was
fällt dir ein? Ich finde das nicht komisch. So gemein bist du doch sonst nicht.
Warum machst du mir das Herz so schwer? Die Leute müssen mir Bello zurückgeben.
Ich will ihn wiederhaben.“

    „Entschuldige!“ sagte Tim leise. „Ich
meine nur... Also, es ist besser, wenn man mit dem Schlimmsten rechnet. Was ich
ausgemalt habe, ist nun mal das Schlimmste für dich.“
    „Bello kommt zu mir zurück. Er hat nur
den Weg noch nicht gefunden. Weil er so klein ist. Mit fünf Monaten ist er noch
ein Hundebaby.“
    „Morgen rufe ich im Tierheim an“, sagte
Frau Senf. „Bestimmt hat ihn jemand hingebracht. Wenn nicht — dann geben wir in
der Zeitung eine Anzeige auf. Aber jetzt, Natascha, müssen wir nach Hause. Hier
im Park ist Bello bestimmt nicht.“
    „Wenn ihr ihn zufällig seht, fangt ihr
ihn ein, nicht wahr?“ wandte Natascha sich an die Jungs. „Ihr wißt ja jetzt,
wie er aussieht.“
    Sie nickten. Karls Mund war so trocken,
daß er nicht antworten konnte.
    Tim spürte, wie Frau Senf ihn trotz der
Dunkelheit musterte. Hatte sie was gemerkt?
    Mutter und Tochter verabschiedeten
sich.
    Keine hatte gefragt, weshalb die Jungs
so spät unterwegs waren. Die Sorge um Bello ließ keinen anderen Gedanken zu.
    Die Jungs gingen zurück und holten ihre
Räder. „Schrecklich!“ murmelte Karl. „Arme Natascha!“
    „Wir müssen ihr helfen. Ihre Mutter ist
lieb. Aber wenn sich auf die Zeitungsanzeige niemand meldet, wird sie am Ende
sein mit ihrer Weisheit. Damit wir nichts falsch machen —

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