Gefangen in der Wildnis
Rusty.
„Ich habe die Nase voll von Städten und Menschen. Ich wohnte in Edmonton, arbeitete bei einer Frachtfirma. Eines Tages beschuldigte mich der Boss, gestohlen zu haben."
„Und? Haben Sie?"
Coopers Unverblümtheit überraschte Rusty, aber der alte Mann schien nicht beleidigt zu sein. Er lachte nur krächzend und spuckte Kautabak ins Feuer.
„Es war einfacher abzutauchen, als vor Gericht zu gehen und meine Unschuld zu beweisen", sagte er ausweichend. „Reubens Mutter war tot, also sind wir beide zusammen weggegangen, haben nur unser Geld mitgenommen und die Sachen, die wir am Leib trugen."
„Wie lange ist das her?"
„Zehn Jahre. Erst sind wir rumgezogen, dann haben wir uns hier niedergelassen. Es gefällt uns hier." Er zuckte die Schultern. „Wir haben nie das Bedürfnis gehabt zurückzukehren."
Damit war seine Geschichte zu Ende. Rusty hatte aufgegessen, aber die Gawrylows starrten Cooper und sie immer noch unentwegt an.
„Wenn Sie uns entschuldigen wollen", brach Cooper das unangenehme Schweigen. „Ich muss die Wunde meiner Frau versorgen."
Diese beiden Worte, „meine Frau", kamen ihm scheinbar so leicht über die Lippen, aber in Rustys Ohren hallten sie falsch und gekünstelt wider. Sie fragte sich, ob die Gawrylows ihnen wirklich abnahmen, dass sie ein Ehepaar waren.
Quinn trug die Teller zum Spülstein und pumpte Wasser darüber. „Reuben, erledige, was du zu tun hast."
Der junge Mann schien widersprechen zu wollen, doch sein Vater warf ihm einen strengen Blick zu. Also zog Reuben Jacke und Kappe auf und trottete zur Tür.
Quinn ging auf die Veranda, um Feuerholz an der Hüttenwand zu stapeln.
Rusty beugte sich näher zu Cooper. „Was hältst du davon?" Wenn sie schon verheiratet waren, konnten sie sich auch duzen.
„Wovon?"
„Von den beiden", antwortete sie ungeduldig. Er hielt den Saum ihrer Hose straff und schnitt das Hosenbein mit seinem Messer bis zum Knie auf. Rusty wurde ärgerlich. „Was soll das? Das ist meine letzte Hose."
Er hob den Kopf und blickte sie unerbittlich an. „Möchtest du sie lieber ausziehen und Reuben dein winziges Unterhöschen vorführen?"
Sie öffnete den Mund, stellte dann aber fest, dass sie darauf nichts zu erwidern wusste, also schloss sie ihn wieder. Schweigend sah sie zu, wie Cooper den Verband abwickelte und die genähte Wunde kontrollierte. Der anstrengende Fußmarsch schien keine größeren negativen Auswirkungen gehabt zu haben, aber das Bein war von der Anstrengung geschwollen und äußerst druckempfindlich. Es zu leugnen wäre unsinnig, denn sie zuckte zusammen, als er ihr einen frischen Verband anlegte.
„Tut's weh?"
„Ja, etwas", gab sie zu.
„Leg es für den Rest des Tages hoch und belaste es nicht mehr. Du kannst entweder hier sitzen bleiben oder dich auf das Felllager legen, das ich gleich machen werde."
„Lager? Was ist mit den Betten?" Sie sah hinüber zu den beiden Betten, die an einer Wand der Hütte standen. „Meinst du nicht, sie werden mir eines überlassen?"
Er lachte. „Ich bin sicher, Reuben würde nichts lieber tun, als sein Bett mit dir zu teilen. Aber wenn du dir keine Läuse einfangen willst, würde ich an deiner Stelle da rausbleiben."
Abrupt zog sie ihr Bein zurück. Cooper konnte einfach nicht nett sein, oder? Sie waren Kameraden, weil die Umstände sie dazu zwangen, aber sie waren keine - nein, ganz bestimmt nicht - Freunde.
5. KAPITEL
E s schien eine Ewigkeit zu dauern, bis es Zeit war, schlafen zu gehen. Am frühen Abend gab es noch eine gemeinsame Mahlzeit mit den Gawrylows. Die Unterhaltung drehte sich um den Marsch zum Mackenzie River und ging auch noch weiter, als das Essen beendet war.
„Es gibt keinen Pfad, dem man folgen könnte. Es ist raues Terrain, dauert bestimmt einen vollen Tag", teilte Quinn ihnen mit.
„Wir brechen beim ersten Tageslicht auf." Cooper ließ Rusty nicht aus den Augen. Schon den ganzen Nachmittag hatte er sie mit Adleraugen beobachtet. Während sie jetzt auf dem Stuhl saß, hockte er zu ihren Füßen auf dem Boden, den Arm besitzergreifend auf ihren Oberschenkel gelegt. „Wir nehmen nicht viel mit, nur, was absolut nötig ist.
„Was ist mit der Frau?" fragte Quinn.
Rusty spürte, wie Coopers Bizeps auf ihrem Bein sich zusammenzog. „Was soll mit ihr sein?"
„Sie wird uns aufhalten."
„Ich bleibe mit ihr hier, Pa", bot Reuben eilfertig an.
„Nein." Coopers Erwiderung kam scharf und schnell wie ein Peitschenhieb. „Sie kommt mit. Mir ist gleich, wie
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