Gefangen in Deutschland
aufgequollenes Gesicht.
Langsam begann mein Verstand wieder zu funktionieren, und ich beruhigte mich etwas. Ich erzählte Maria von Mahmud und unseren Schwierigkeiten, den gemeinsamen Alltag zu meistern, von seinen Versuchen, mich einzuengen, von meiner Liebe zu ihm und dem tiefen Gefühl von Geborgenheit, das er trotz aller Schwierigkeiten in mir auslöste.
Als ich geendet hatte, sah ich, dass auch sie feuchte Augen hatte. Das erste Mal, seit wir uns kannten, wusste selbst Maria keinen Rat.
»Ach, Katja … Eigentlich müsste ich dir nach all dem, was du mir erzählt hast, jetzt sagen: Sei froh, dass er weg ist! Aber so einfach ist das nun mal nicht, wenn man liebt.« Verlegen wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Du hast aber in jedem Fall richtig gehandelt, dass du dir die Feier mit deiner Freundin nicht hast verbieten lassen. Freunde sind so wichtig!«, sprach sie mit Nachdruck weiter.
»Ja, aber nun habe ich ihn verloren! Ich kenne ihn schon so gut, dass ich weiß, er kommt nicht zurück. Er ist einfach nicht der Typ, der etwas sagt, was er anschließend nicht auch durchführt«, brachte ich schluchzend hervor.
»Jetzt mal langsam, Katja! Er fühlt sich in seinem Stolz verletzt und ist es wahrscheinlich auch nicht gewohnt, dass eine Frau sich seinen Wünschen widersetzt. Du hast da aber schon ganz richtig reagiert! Wenn du dich in allem nach ihm richtest, kannst du in Zukunft bald gar nichts mehr allein entscheiden. Er muss auch deine Wünsche respektieren, sonst werdet ihr sowieso keine glückliche Zukunft haben.«
Mein Gefühl sagte mir, dass Maria mit ihren Argumenten recht hatte, aber mein Verstand wusste es besser: Eine Beziehung zu Mahmud konnte nur funktionieren, wenn ich mich ihm bedingungslos unterordnete. Da ich aber schon so früh in meinem Leben Verantwortung hatte übernehmen müssen und bereits im Kindesalter gezwungen gewesen war, ständig irgendwelche Entscheidungen für die Familie zu treffen, wusste ich auch, dass aus mir niemals die willenlose, folgsame Frau werden könnte, die Mahmud glücklich machen würde.
Maria war schon lange gegangen, als ich noch immer mit dieser Erkenntnis ringend in meinem Bett lag und mich in den Schlaf weinte.
4. K APITEL
Scheiden tut weh
S eit Mahmud meine Wohnung verlassen hatte, waren nun fast zwei Wochen vergangen. Mittlerweile war der Hochsommer ausgebrochen und eine drückende Hitze lag über der Stadt. Meine Freunde, allen voran Nina, versuchten vergeblich, mich zu gemeinsamen Schwimmbadbesuchen, Shoppingtouren oder wenigstens einem abendlichen Getränk im Biergarten zu überreden: Ich sagte alles ab. Ich hatte Liebeskummer und fühlte mich, als hätte man mir einen Teil meines Körpers amputiert. Mir ging es einfach nur schlecht. Und jeden weiteren Tag, an dem ich Mahmud weder sah noch etwas von ihm hörte, ging es mir noch schlechter. Selbst meiner Ausbildung konnte ich nicht nachgehen, ich war einfach nicht in der Lage, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, und hatte mich krankschreiben lassen. Maria kümmerte sich in dieser Zeit rührend um mich. Sie sorgte dafür, dass ich zumindest einmal am Tag etwas aß, und hörte mir zu, wann immer mir nach Reden zumute war.
Mein ganzes Denken kreiste um Mahmud: Er hatte seine Ankündigung wahr gemacht, und von außen betrachtet war es fast so, als wäre er nie Teil meines Lebens gewesen. Doch in meinem Inneren sah es ganz anders aus. Ich hatte das Gefühl, ohne ihn nicht mehr existieren zu können. Mit jeder Faser meines Körpers sehnte ich mich nach ihm. Mir fehlte seine Stimme, sein Geruch, seine Berührungen, ja selbst seine ewigen Nörgeleien vermisste ich plötzlich. Wie gern hätte ich mich von ihm anpflaumen lassen, nur um seine Gegenwart zu spüren! Wenn ich meine Wohnung in diesen Tagen überhaupt verließ, dann lediglich, um mich in die Nähe des Obst- und Gemüsegeschäfts von seinen Eltern zu begeben. Oft stand ich stundenlang in einer Häuserecke verborgen und beobachtete den Eingangsbereich des Ladens – in der Hoffnung, Mahmud würde dort auftauchen. Was ich tun würde, wenn ich tatsächlich auf ihn treffen sollte, darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Ich wusste nur, dass ich ihn unbedingt zurückhaben wollte. Sicherlich war unsere Beziehung von Anfang an schwierig gewesen, aber wir hatten auch sehr viele schöne Stunden miteinander verbracht. Immer wieder ließ ich die Momente Revue passieren, wenn er mir etwa in den leuchtendsten Farben von seinem Heimatdorf in
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