Gefangen in Deutschland
zärtlichen Kuss gab.
Am liebsten hätte ich ihn nie wieder losgelassen, so glücklich war ich in dem Moment.
5. K APITEL
Verteidigung der Ehre
D er Herbst und Winter verliefen ruhig und fast ohne Streit. Wie sehr ich diese Zeit genoss! Ich fühlte mich darin bestärkt, dass eine Beziehung zwischen zwei Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen sehr wohl funktionieren konnte, wenn ihre Liebe bloß stark genug war und beide Partner Rücksicht auf die andere Mentalität nahmen, ohne sich gleich verbiegen zu müssen. Zwar hatte ich mich Mahmuds Wünschen insofern angepasst, als ich mich nur noch sehr dezent schminkte und unauffällig kleidete. Auch Nina und meine anderen Freunde, vor allem die Jungs aus der alten Clique, sah ich kaum mehr, weil Mahmud nicht wollte, dass ich ohne ihn zu irgendwelchen Verabredungen ging. Und meine Bekannten zu mir einzuladen, erschien mir irgendwie unpassend, da ich mir sicher war, sie könnten mit meiner neuen Art zu leben nichts anfangen. Aber diese Einschränkungen störten mich nicht weiter, denn ich vermisste ja nichts, im Gegenteil, selten hatte ich so in mir geruht, war so ausgefüllt und einfach nur glücklich gewesen. Tagsüber ging ich meiner geliebten Arbeit als angehender Berufskraftfahrerin nach, und abends und am Wochenende sah ich Mahmud. Wir verbrachten fast jede freie Minute zusammen und beschlossen bald, uns nach einer gemeinsamen Wohnung umzusehen.
Ich wäre eigentlich gern in meinem schnuckeligen kleinen Apartment geblieben, aber da Mahmud wusste, dass ich dort ursprünglich mit meinem Exfreund hatte wohnen wollen, behagte ihm diese Vorstellung nicht. Das Glück wollte es, dass wir schon nach kurzer Zeit im Nachbarort eine schöne Dreizimmerwohnung fanden. In unmittelbarer Nähe wohnte Mahmuds türkischer Freund Ahmed mit seiner deutschen Freundin Petra. Ich begann den Umzug vorzubereiten und packte alle meine Habseligkeiten in große Kisten. Am Umzugstag lieh sich Mahmud von seinem Vater einen Transporter, mit dem dieser normalerweise jeden Morgen in die Großmarkthalle fuhr, um frisches Obst und Gemüse für sein Geschäft zu besorgen. An dem Tag lernte ich auch einen von Mahmuds Brüdern sowie einen Cousin von ihm kennen, die uns beim Ab- und Aufbau meiner Möbel helfen sollten. Mahmud hatte mir vorher ein paar Verhaltensregeln eingetrichtert, die ich im Umgang mit den männlichen Mitgliedern seiner Familie unbedingt einhalten sollte. Eigentlich völlig unnötig, wie sich dann herausstellte, denn die beiden Männer würdigten mich sowieso kaum eines Blickes. Dafür arbeiteten sie schnell und effektiv, und bereits am selben Abend waren wir so weit, dass Mahmud und ich zum ersten Mal in der neuen Wohnung übernachten konnten.
Zwischendurch hatten unsere künftigen Nachbarn Ahmed und Petra kurz hereingeschaut. Ich fand beide sehr sympathisch und hegte die Hoffnung, dass Petra, eine hübsche Dunkelblonde mit einem lustigen Grübchen und interessiert blickenden Augen, und ich uns vielleicht anfreunden könnten. Sicher würden wir uns einiges zu erzählen haben, lebten wir doch in einer sehr vergleichbaren Situation. Petra bot mir auch tatsächlich sofort an, sie auf einen Kaffee zu besuchen, sobald ich mit der Einrichtung unserer Wohnung fertig sein würde.
Als wir später allein waren, sprach Mahmud mich auf Petras Einladung an.
»Hör mal, Schatz, ich habe nichts dagegen, wenn du Petra hin und wieder mal besuchst, aber ich möchte nicht, dass du dich zu eng mit ihr anfreundest. Ich fürchte, sie wird keinen guten Einfluss auf dich haben.«
»Wieso das denn? Was ist mit Petra, warum vertraust du ihr nicht?«, fragte ich bass erstaunt.
Doch Mahmud wollte nicht mit der Sprache heraus. Immer wieder hakte ich nach, da ich Petra wirklich sehr gern getroffen hätte, bis er plötzlich wütend wurde.
»Ich möchte es nicht – und damit basta!«
Nun wagte ich es nicht mehr, weiter in ihn zu dringen, aber ich beschloss, der Sache heimlich auf den Grund zu gehen. Mich mit Petra anzufreunden erschien mir zu verlockend, als dass ich in dieser Sache kampflos die Segel hätte streichen wollen.
In den nächsten Tagen hatte ich keine Zeit, mir weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Von morgens bis nachmittags befand ich mich auf der Arbeit, und abends räumte ich die restlichen Kisten aus, um unsere Wohnung zu einem gemütlichen Heim werden zu lassen. An einem dieser Abende fiel mir siedend heiß ein, dass ich schon seit gut zwei Wochen nicht mehr mit meiner Mutter
Weitere Kostenlose Bücher