Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
Vom Netzwerk:
telefoniert hatte. Praktischerweise befand sich eine Telefonzelle fast direkt gegenüber von unserer Wohnung. Einen Telefonanschluss hatten wir zwar beantragt, die Freischaltung war aber bisher noch nicht erfolgt. Ich sagte Mahmud kurz Bescheid, dass ich telefonieren gehen würde. Rasch zog ich mir eine Jacke über und lief auf die andere Straßenseite zu der Telefonzelle.
    Zu meinem Verdruss war diese bereits von zwei jungen Männern besetzt, sodass ich mich mit meinem Anruf noch gedulden musste. Ich hatte schon eine ganze Weile wartend vor der Zelle gestanden, als ich plötzlich bemerkte, dass die beiden Typen mittlerweile gar nicht mehr telefonierten, sondern sich einen Spaß daraus machten, mich warten zu lassen. Sicher würde Mahmud ärgerlich werden, wenn er davon ausgehen musste, dass ich so lange mit meiner Mutter telefonierte, dachte ich.
    Just in dem Moment öffnete sich die Zellentür und einer der beiden Jünglinge schnippte eine brennende Zigarettenkippe gegen mein Bein. Noch bevor ich dazu kam, dem Übeltäter gehörig die Meinung zu sagen, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts Mahmud auf. Wie ein Besessener stürzte er auf die Telefonzelle zu und zog die beiden völlig überraschten Männer heraus, um sie nacheinander mit einer Brutalität zu verprügeln, dass es mir fast den Magen umdrehte. Blutüberströmt suchten sie schließlich das Weite.
    Mit einer galanten Geste stieß Mahmud die Zellentür auf.
    »So, Liebling, jetzt kannst du telefonieren«, sagte er ruhig. »Aber mach nicht so lange! Und grüß deine Mutter unbekannterweise von mir!«
    Wie sich später herausstellen sollte, hatte Mahmud mich von unserem Küchenfenster aus beobachtet und die Situation sofort erfasst.
    »Katja, niemand darf sich meiner Freundin gegenüber so benehmen! Die beiden haben ihre gerechte Strafe bekommen«, erwiderte er auf meine Vorhaltungen, dass man so brutal nicht mit anderen Menschen umgehen könne.
    Ich verzichtete auf jede weitere Diskussion und betete zu Gott, dass sich Mahmuds Zorn niemals in dieser Form gegen mich selbst richten möge. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, hatte ich Angst vor Mahmud.

6. K APITEL
Petra oder Geteiltes Leid ist halbes Leid
    W ir lebten jetzt schon bald einen Monat in der neuen Wohnung, die mittlerweile komplett eingerichtet war, und ich wollte endlich den geplanten Besuch bei Petra machen. Ich war sehr neugierig darauf, mehr von ihr zu erfahren. Mahmud hatte mir erzählt, dass sie bereits seit über vier Jahren mit Ahmed zusammen war. Ob sie in ihrer Partnerschaft wohl mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert war wie ich? Der Austausch mit einer Frau, die in der gleichen Lebenssituation steckte, interessierte mich mehr, als ich mir noch bis vor Kurzem hätte eingestehen wollen, einmal mehr nach Mahmuds überraschendem Aggressionsausbruch den beiden Männern aus der Telefonzelle gegenüber, der mich doch sehr erschüttert hatte. Außerdem vermisste ich schlicht und einfach eine Freundin, mit der ich auch mal über typische Frauenthemen reden konnte.
    Petra freute sich sehr über meinen Besuch. Wie ich bald erfahren sollte, hatte auch sie kaum mehr Umgang mit Deutschen, weil die meisten ihrer alten Freunde nicht so gut mit Ahmed zurechtkamen. Was mich wunderte, da er auf mich einen sehr netten und freundlichen Eindruck gemacht hatte. Darauf angesprochen, stieß Petra ein bitteres Lachen aus.
    »Ja, Ahmed ist ein verdammt guter Schauspieler! Nach außen hin ist er immer nett, freundlich und hilfsbereit. Die wenigsten können sich vorstellen, was sich manchmal hinter unserer Wohnungstür abspielt.«
    Sie erzählte mir, dass Ahmed spielsüchtig sei und fast jeden Abend stark alkoholisiert nach Hause komme. Eine Kleinigkeit würde dann genügen, um ihn völlig ausrasten zu lassen.
    »Er hat mich schon so zusammengeschlagen, dass ich fast sechs Wochen im Krankenhaus liegen musste.« Sie deutete auf ihr Gesicht. »Jochbein, Kiefer und ein doppelter Nasenbeinbruch – hier links musste sogar eine Metallplatte eingesetzt werden.«
    Die Ruhe und Gleichgültigkeit, die in Petras Worten mitschwangen, brachten mich zum Frösteln.
    »Aber warum verlässt du ihn dann nicht?«, wollte ich von ihr wissen.
    »Wir waren schon dreimal getrennt. Aber jedes Mal bereut er dann, was er getan hat, und ich bin so naiv, ihm zu glauben, dass so etwas in Zukunft nie wieder passieren wird. Eine Weile hält er sich dann vom Alkohol fern und kümmert sich wirklich rührend um mich. Leider hält dieser

Weitere Kostenlose Bücher