Gefangen in Deutschland
Ich bin nun mal sehr eifersüchtig und mag es nicht, wenn du andere Männer anschaust.«
Reuevoll blickte er mich an. Mir lief ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Ich verstand nicht, wie ein Mensch so sein konnte. Mein Freund hatte definitiv zwei Gesichter!
In der Regel verließ Mahmud nach dem Essen immer für ein paar Stunden unsere Wohnung, um in eine türkische Teestube zu gehen. Dort traf er sich mit Verwandten und Freunden zum Reden und Kartenspielen – natürlich alles nur Männer. Meistens war ich darüber sehr traurig, da ich dann allein in der Wohnung zurückblieb und mich langweilte. An dem Tag konnte ich es jedoch kaum erwarten, endlich allein zu sein. Ich brauchte ein paar Stunden für mich, um wieder Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Aber ausgerechnet jetzt machte er keinerlei Anstalten, sich umzuziehen und aufzubrechen. Stattdessen schaltete er den Fernseher ein und machte es sich auf dem Sofa gemütlich.
»Ich bleibe heute extra für dich zu Hause«, strahlte er mich an. »Damit du auch siehst, dass mir mein Ausraster von vorhin wirklich leidtut«, fügte er noch hinzu.
Schweigend nahm ich auf seine Aufforderung hin neben ihm Platz. Viel lieber hätte ich mich in meinen Sessel gekuschelt und mich meinem Buch gewidmet.
»Mahmud, warum schlägst du mich?«, fragte ich nach einer Weile unvermittelt. »Ich denke, du liebst mich. Warum tust du mir dann absichtlich weh?«
»Katja, ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben! Ich kann auch nichts dafür, dass ich so schnell wütend werde. Aber bitte zweifle nie an meiner Liebe zu dir!«
Zärtlich legte er den Arm um mich. Ich konnte seine Berührung kaum ertragen, aber mir blieb nichts anderes übrig, als stillzuhalten. Was für eine Antwort hatte ich eigentlich von ihm erwartet?, fragte ich mich selbstkritisch. Gab es eine Rechtfertigung dafür, eine Frau zu schlagen? Wohl kaum!
Ich beschloss, nicht weiter auf ihn einzudringen, es hatte ja ohnehin keinen Zweck. Er würde sich nicht ändern, das wusste ich nun. Es verging fast kein Tag, an dem er mir nicht irgendwelche neuen Verhaltensmaßregeln auferlegte. »Schau keinem Mann direkt in die Augen!«, »Halt den Blick gesenkt, wenn du draußen unterwegs bist!«, »Schmink dich nicht!«, »Verlass die Wohnung nur, wenn du es vorher mit mir abgesprochen hast!« waren nur einige davon. Wenn ich von ihm wissen wollte, ob er mir denn nicht vertraue oder warum er solche Dinge von mir verlange, hieß es nur: »Eine anständige Frau tut das nicht!« Dadurch, dass er um meine immense Angst vor ihm und seiner Drohung wusste, mich bei meinem nächsten Fluchtversuch zu töten, war die Situation für ihn sehr einfach: Er verlor jegliche Hemmungen und zwängte mir ohne Kompromisse seine unmenschlichen Traditionen auf.
In was für einen Alptraum bin ich da hineingeraten?, dachte ich wieder einmal verzweifelt, während Mahmud zärtlich meine Schulter drückte und laut über den Witz eines Fernsehkomikers lachte. Ich war zwanzig Jahre alt, eine hübsche junge Frau, die am Anfang ihres Lebens stand. Die trotz ihrer schwierigen Kindheit ihren Weg gemacht hatte, einen Beruf ausübte und einen großen Freundeskreis besaß … Aber all das war einmal!, korrigierte ich mich sofort. Die hübsche junge Frau von heute machte sich absichtlich unattraktiv, indem sie sich in dunkle Kutten hüllte, hatte ihre sämtlichen Freunde verloren, keine Arbeit und damit kein eigenes Geld mehr, lebte in ständiger Angst vor ihrem Geliebten und wurde regelmäßig von ihm verprügelt. Und das mitten in Deutschland im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert! Wie kam ich bloß aus dieser Hölle wieder heraus?
11. K APITEL
Fatima oder Die Zweitfrau
S eit Anfang September waren Ogün und Aysegül nun unsere Nachbarn. Wie erhofft verbrachten wir Frauen viel Zeit miteinander. Mahmud hatte Aysegül gebeten, mir Türkischunterricht zu erteilen, und so lernten wir jeden Tag ein paar Stunden. Ich war keine gute Schülerin, und sie hatte wirklich Mühe, mir die einzelnen Vokabeln einzutrichtern. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht mit größerem Eifer bei der Sache gewesen, aber die Tatsache, dass ich längst beschlossen hatte, mich von Mahmud zu trennen, bremste meine Lernbereitschaft gehörig. Aysegül musste oft über meine seltsame Aussprache lachen, doch wir hatten trotz allem viel Spaß.
Das Abendessen nahmen wir nun abwechselnd mal bei Mahmud und mir, mal bei Ogün und ihr ein. Aysegül zeigte mir, wie man die
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