Gefangen in Deutschland
regelrecht entgegen. Da ich durch meine Arbeitslosigkeit nun viel Zeit zur Verfügung hatte, bat ich Mahmud, zu Aysegül in die alte Wohnung fahren zu dürfen, um ihr beim Packen zu helfen. Er hatte nichts dagegen, und so machte ich mich eines Morgens auf den Weg.
Aysegül freute sich, mich zu sehen.
»Komm herein, Katja!«, begrüßte sie mich und winkte mich hinein.
»Ich dachte, ich könnte dir vielleicht beim Umzug helfen. Kisten packen und so«, nannte ich den Grund für meinen Besuch.
»Das ist lieb von dir! Deine Hilfe kommt mir gerade recht. Ich darf im Moment sowieso nicht schwer heben.«
Sie deutete mit der Hand auf ihren Bauch.
»Bist du etwa schwanger?«, fragte ich gespannt.
»Ja, Katja. Ich weiß nur noch nicht, ob ich mich darüber wirklich freuen soll. All die Jahre habe ich heimlich die Pille genommen, aber in letzter Zeit wurde der Druck von Ogün und unserer Familie immer größer. Fast wöchentlich musste ich mich rechtfertigen, warum ich noch kein Kind bekommen habe. Ogün hat mir vor ein paar Monaten damit gedroht, sich eine Zweitfrau zu nehmen, falls ich nicht bald Nachwuchs erwarten würde. Deshalb musste ich die Pille absetzen.«
Betroffen schaute ich zu Boden.
»Ich weiß einfach nicht, ob ich schon reif für ein Kind bin! Meine Ehe ist auch so schon schwierig genug«, sprach Aysegül weiter. »Und ich bin doch erst siebzehn!«
Ich versprach, ihr zu helfen und sie mit dem Baby zu unterstützen.
»Du bist ein Glück für unsere Familie, weißt du das, Katja?«, sagte Aysegül und schaute mich eindringlich an. »Seit Langem habe ich wieder so etwas wie Hoffnung. Seit ich dich das erste Mal gesehen habe, muss ich oft an dich denken. Du bist eine starke Persönlichkeit, Katja. Du gibst mir Kraft, denn wenn du als deutsche Frau so leben kannst und nicht daran zerbrichst, muss ich es als Türkin doch schließlich auch schaffen können.«
Sie lächelte mich an. Eigentlich hatte ich ihr gerade von Mahmuds neuerlicher Prügelattacke und meinen Fluchtplänen erzählen wollen, aber nun brachte ich es nicht fertig. Ich sagte noch ein paar aufmunternde Worte zu ihr und half ihr dann, die ersten Kisten zu packen.
Am späten Nachmittag holte Mahmud mich ab. Bereits bei der Begrüßung spürte ich, dass er offenbar schlechte Laune hatte. Kaum saßen wir im Auto, begann er auch schon, seinen Ärger an mir auszulassen. Ich trug an diesem Tag ein TShirt mit einer Knopfleiste. Die beiden oberen Knöpfe hatte ich geöffnet. Ich war beim Packen ins Schwitzen geraten und hatte mir damit etwas Luft verschaffen wollen. Böse blickte er mich von der Seite an.
»Du läufst rum wie eine Hure!«, warf er mir an den Kopf.
Schnell schloss ich die Knöpfe. Ich wollte ihm erklären, warum ich sie geöffnet hatte, aber er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.
»Ständig versuchst du mich zu provozieren, und wenn ich dann ausraste und die Nerven verliere, heulst du rum. Dabei bist du doch selbst schuld daran!«, redete er auf mich ein.
Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten. Ich konnte es einfach nicht mehr hören. Wir standen mittlerweile an einer Ampel und ich schaute, um mich abzulenken, zum Fenster hinaus. Im Wagen neben uns saßen ein paar junge Leute, die viel Spaß miteinander zu haben schienen. Der Fahrer hatte die Musik aufgedreht und alle anderen sangen lauthals mit. Wie schön es sein musste, in diesem Auto zu sitzen!, dachte ich mit einem Anflug von Neid – als mich plötzlich ein Faustschlag mitten im Gesicht traf.
Sofort spürte ich, wie mir das Blut aus der Nase schoss. Langsam drehte ich den Kopf und sah direkt in Mahmuds hasserfülltes Gesicht. Vor meinen Augen blitzten die Funken auf, und mir wurde schwindelig.
»Warum hast du das getan?«, stieß ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, bemüht, meine aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
»Allein für diese Frage hättest du noch einen Schlag verdient!«, brüllte er mich unbeherrscht an. »Da flirtest du hemmungslos vor meinen Augen mit dem Typen aus dem Auto neben uns und fragst mich auch noch, warum ich wütend werde! Katja, du bist die dümmste Frau, die ich je kennengelernt habe«, begann er mich auch noch zu verspotten.
Ich versuchte, mich nicht provozieren zu lassen, und schwor mir, es ihm irgendwann heimzuzahlen. Als wir später zu Hause waren, hatte sich Mahmud wieder beruhigt.
»Katja, ich hatte ziemlichen Stress heute auf der Arbeit. Deshalb habe ich im Auto etwas überreagiert. Sei nicht mehr sauer!
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