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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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typischen türkischen Gerichte zubereitete. Hier war ich mit mehr Begeisterung als beim Sprachunterricht zugange, da mir die türkische Küche sehr zusagte. Bis heute übrigens. Denn das türkische Essen ist gesund und abwechslungsreich. Anders als bei der deutschen Küche bereiten die Türken nicht nur ein Hauptgericht und ein paar Beilagen zu, sondern es werden immer eine Menge Gerichte auf einmal serviert. In der Regel gibt es mindestens eine Suppe, ein Fisch- und ein Fleischgericht, verschiedene gebratene Gemüsesorten, Reis, Brot, diverse Salate und – das von mir heiß geliebte – Cacık. Dabei handelt es sich um eine köstliche Joghurtsauce mit fein gehackten Gurken und Knoblauch sowie frischer Petersilie und Minze. Das Hauptgetränk zum Essen besteht entweder aus Wasser oder dem traditionellen türkischen Ayran, einer Wasser-Joghurt-Mischung, die mit etwas Salz und Minzblättern gewürzt wird. Nach dem Essen wird meist türkischer Tee, genannt »Chai«, mit viel Würfelzucker gereicht. Zum Dessert gibt es gern Baklava, ein mit Nüssen gefülltes und in Zuckerwasser getränktes Blätterteiggebäck.
    Wenn Aysegül und ich nicht gerade kochten oder Vokabeln lernten, waren wir bei irgendwelchen Verwandten zu Gast. Am liebsten besuchte ich Aysegüls Familie. Sie hatte noch sieben Geschwister und ihre Mutter erwartete gerade ihr achtes Kind. Ich fand die Tatsache, dass Mutter und Tochter zum selben Zeitpunkt schwanger waren, schon sehr gewöhnungsbedürftig.
    Bei meinem ersten Besuch in Aysegüls Elternhaus war ich fast ein wenig schockiert, als wir dort ankamen. Das Haus, in dem die Familie lebte, sah alles andere als einladend aus. Der Putz bröckelte von den Wänden, Müllsäcke türmten sich neben den überfüllten Containern im Hof. Die Türklingel hing lose an einem Draht herunter, sodass es mir lebensgefährlich erschien, sie zu benutzen. Es war allerdings auch nicht nötig, da die Tür sperrangelweit offen stand. Aus dem Inneren des Hauses konnte man türkische Musik und laute Stimmen vernehmen, die aus verschiedenen Räumen zu kommen schienen. Als wir den Hausflur betraten, stürmte uns eine Schar Kinder entgegen. Nachdem sie uns erkannt hatten, drehten sie wieder um und liefen aufgeregt in die Wohnung zurück. Doch noch bevor wir diese betreten konnten, kam uns auch schon Aysegüls Mutter entgegen und begrüßte uns herzlich. Stolz zeigte sie mir ihr Heim, das äußerst spärlich eingerichtet und für die Vielzahl von Menschen, die es bewohnten, auch nicht gerade üppig bemessen war. In den drei schmalen Schlafzimmern für die Eltern, die Mädchen und die Jungen standen lediglich die Betten und jeweils ein Schrank. Persönliche Gegenstände wie Bücher oder Spielzeug sah ich kaum. Auch Dekorationsgegenstände wie bunte Kissen, Bilder, Kerzen und Ähnliches fehlten völlig. Es gab nur einen einzigen Raum, der halbwegs an ein durchschnittliches deutsches Zimmer erinnerte und wohl eine Art gute Stube darstellen sollte. Es befanden sich zwei Sofas, ein kleiner Wohnzimmertisch und eine Schrankwand darin. Auf den Fensterbänken standen etliche Vasen mit Plastikblumen und an der Wand hing eine große beleuchtete Uhr, auf deren Zifferblatt eine Moschee abgebildet war. Dieses Zimmer blieb fast immer abgeschlossen und wurde nur benutzt, wenn sich Besuch angekündigt hatte, erklärte Aysegül mir. Auf diese Weise verhindere ihre Mutter, dass die Kinder dort ihr Unwesen trieben und die Möbel verschmutzten.
    Von Aysegüls ganzen Geschwistern, die alle noch zu Hause wohnten, freute sich besonders Handan über unseren Besuch. Sie war mit ihren vierzehn Jahren die zweitälteste Schwester von Aysegül, und die beiden hatten ein besonders enges Verhältnis zueinander. Mit ihren großen Brüdern konnte sie hingegen wenig anfangen, hatte Aysegül mir einmal anvertraut, sie waren ihr zu sehr von sich eingenommen und zu autoritär den weiblichen Familienmitgliedern gegenüber. Ihr einziges Interesse an den Schwestern bestand darin, sie zu kontrollieren, herumzukommandieren und ein mögliches Fehlverhalten sofort an die Eltern weiterzupetzen.
    Kaum hatten wir auf Aufforderung der Mutter im Wohnzimmer Platz genommen, wurden auch schon Kannen mit dampfendem Tee und mehrere Teller mit verschiedenen Obstsorten hereingebracht. Mich berührte die Gastfreundschaft, die ich in Mahmuds Familie erleben durfte, immer wieder aufs Neue zutiefst. Ich wurde von allen Familienmitgliedern so herzlich aufgenommen, wie ich das bei Deutschen

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