Gefangen in Deutschland
gestürmt. Manuela und Hassan folgten ihm, beide völlig verschlafen.
»Steh sofort auf und zieh dich an! Du kommst jetzt auf der Stelle mit mir nach Hause«, befahl mir Mahmud unverblümt.
Augenblicklich begann ich am ganzen Körper zu zittern. Hilfesuchend blickte ich Hassan an. Der zuckte nur mit den Schultern.
»Nun setz dich erst mal, Mahmud! Manuela bringt dir einen Tee«, versuchte er seinen Cousin zu beruhigen.
Mahmud sagte ein paar türkische Sätze, die ich nicht verstand, und blieb stehen. Wieder forderte er mich auf, mich sofort anzuziehen und mit ihm zu kommen.
Ich begann zu weinen. Plötzlich kam er auf mich zu und zog mich vom Sofa.
»Ich sage es dir zum letzten Mal: Zieh dich jetzt an!«
Manuela wollte ihn gerade beschwichtigen, als ein scharfer Seitenblick von Hassan sie sofort zum Schweigen brachte.
Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Hier hatte es ein offensichtlich Wahnsinniger darauf abgesehen, mich wieder in seine Gewalt zu bringen, und niemand wollte oder konnte mir helfen! Um Mahmud nicht noch mehr in Rage zu versetzen, tat ich so, als wollte ich seiner Aufforderung Folge leisten. Längst hatte ich einen Plan gefasst: Ich würde zum Umziehen ins Badezimmer gehen und von dort aus durchs Fenster die Flucht ergreifen.
»Ich werde dich beim Anziehen begleiten, Katja. Nicht dass du noch auf dumme Gedanken kommst!«, vereitelte Mahmud sofort wieder meinen Plan.
In dem Moment resignierte ich. Ich würde mich dieser Auseinandersetzung stellen müssen, ob ich nun wollte oder nicht. Unter Mahmuds strengen Blicken schlüpfte ich in meine Kleider, bedankte mich bei Hassan und Manuela für ihre Gastfreundschaft und folgte meinem Freund und Peiniger zitternd zum Auto.
Fast die ganze Fahrt über musste ich mir bitterböse Vorwürfe anhören. Ich hätte ihn durch mein Verhalten bei seiner Familie blamiert, hielt Mahmud mir vor. Kein Wort darüber, dass er wieder Gewalt an mir ausgeübt hatte, von einer Entschuldigung ganz zu schweigen! Zum ersten Mal, seit wir zusammen waren, fühlte ich mich von einem Gefühl der absoluten Machtlosigkeit gepackt. Ich wollte diese Beziehung um keinen Preis der Welt weiterführen. Ich war mir sicher, dass Mahmud mir nun sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Zu Hause angekommen, setzte ich ihn von meinem Entschluss, mich endgültig von ihm zu trennen, in Kenntnis.
»Setz dich, Katja!« Er dirigierte mich auf das Sofa. »Jetzt hör mir mal gut zu: Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, was ich von dir erwarte. Du warst damit einverstanden. Dann habe ich dich in meine Familie gebracht, alle haben sie dich als meine feste Partnerin kennengelernt. Nun gibt es für dich kein Zurück mehr! Du kannst nicht mehr einfach so gehen, weil es dir gerade passt. Du würdest mich damit zum Gespött meiner Familie machen. Das werde ich nicht zulassen.« Er schwieg einen Moment, bevor er in wohlgesetzten Worten weitersprach. »Auch wenn du es nicht glaubst: Ich liebe dich wirklich! Ich liebe dich wahrscheinlich sogar zu sehr. Eins musst du aber wissen: Solltest du wieder versuchen zu fliehen, werde ich dich finden und töten!«
Es dauerte einen Moment, bis mir die volle Bedeutung seiner Worte klar wurde. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken.
»Du bist verrückt!«, entfuhr es mir.
Erschrocken über meine eigene Äußerung, schaute ich ihn mit bebendem Herzen an.
»Ja, vielleicht bin ich das. Das ändert aber nichts an der Tatsache, Katja: Ich werde dich umbringen, wenn du noch einmal meine Ehre in den Schmutz ziehst!«
Wortlos drehte sich Mahmud um und verließ das Wohnzimmer, um sich schlafen zu legen.
Völlig aufgewühlt blieb ich allein zurück. Einem unendlichen Echo gleich hallten seine Worte in meinem Kopf wider. Wie konnte er von Liebe sprechen und mir zugleich mit dem Tod drohen? Stummes Entsetzen hatte mich ergriffen. Nicht eine Sekunde zweifelte ich daran, dass er seine Todesdrohung wahr machen würde, wenn ihm die Notwendigkeit geboten schien.
10. K APITEL
Die Kündigung
I n den nächsten Tagen versuchte ich mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Sogar der von Mahmud gewünschten Kleiderordnung hatte ich mich gebeugt. Ich wollte auf keinen Fall einen neuen Konflikt heraufbeschwören. Mahmud war sichtlich zufrieden. Er ging davon aus, dass ich nun endlich verstanden hätte, wer in unserer Beziehung das Sagen hatte, und gab sich alle Mühe, mir seine Liebe zu bezeugen. Doch es kostete mich eine ungeheure Überwindung, ihn nicht
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