Gefangen in Deutschland
eigentlichen Grund meines Besuches. Im Gegensatz zu mir war sie von den Neuigkeiten keinesfalls überrascht. In der Familie sei schon öfter darüber gesprochen worden, dass Mahmud und ich endlich heiraten sollten, kommentierte sie meinen Bericht.
»Warum hast du mir nie was davon erzählt?«, wollte ich von ihr wissen.
Schweigend blickte Aysegül mich an.
»Ich fand es nicht wichtig«, antwortete sie schließlich achselzuckend.
»Aber was mache ich nun? Ich kann doch unmöglich einen Mann heiraten, der mich vor Kurzem noch beinah umgebracht hätte!«
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Flehend schaute ich Aysegül an und griff nach ihrer Hand.
»Bitte, Aysegül, rede mit deinem Vater! Ich möchte Mahmud nicht heiraten! Es geht einfach nicht!«
Sanft nahm Aysegül mich in den Arm und versprach, mir zu helfen. Sie willigte auch ein, mich nach Hause zu begleiten – zu groß war meine Angst, dass Kerim mir im Treppenhaus erneut auflauern könnte.
Schon von Weitem sah ich, dass in unserer Wohnung Licht brannte. Mahmud war also bereits nach Hause gekommen. Doch zu meinem großen Erstaunen schien er kein Problem damit zu haben, dass ich noch einmal weggegangen war. Das erste Mal seit seinem letzten Übergriff sprach er sogar ganz normal mit mir. Selbst ein Lächeln brachte er zustande. Da ich aber an dem Tag schon genug emotionale Achterbahn gefahren war, gab ich vor, sehr müde zu sein, und verzog mich ins Bett. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben.
Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig. Mahmud hatte kein einziges Wort mehr zum Thema »Hochzeit« verloren. Allmählich begann sich unser Verhältnis wieder zu normalisieren – sofern man bei uns überhaupt von einem normalen Verhältnis sprechen konnte. Es hatte auch keinerlei sexuelle Annäherungen mehr seinerseits gegeben, wofür ich ihm besonders dankbar war: Ich wusste nicht, ob ich seine Berührungen hätte ertragen können.
Kaum hatte sich meine innere Anspannung also ein wenig gelegt, fand ich eines Nachmittags, als ich kurz zum Supermarkt gegenüber gehen wollte, eine Schachtel Pralinen vor meiner Wohnungstür. Obwohl kein Zettel oder Ähnliches auf den Absender hinwies, war ich mir sicher, dass die Süßigkeiten nur von Kerim stammen konnten. Ich spürte, wie meine Angst einer gewaltigen Wut wich. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Hatte ich ihm nicht mehr als deutlich genug zu verstehen gegeben, dass er mich gefälligst in Ruhe zu lassen hatte?
Voller Zorn nahm ich die Pralinen und begab mich auf direktem Wege zu unserem Nachbarhaus, um sie Kerim vor die Füße zu werfen. Sofort nach dem ersten Klingeln wurde mir geöffnet. Hülya war an der Tür und bat mich gleich herein. Als sie die Schachtel mit den Süßigkeiten in meiner Hand sah, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie dachte wohl, ich hätte die Pralinen als Gastgeschenk mitgebracht. Als sie aber meinen bösen Blick bemerkte, wurde ihr schlagartig klar, warum ich gekommen sein musste.
Zum Glück war Kerim auch anwesend, sodass ich meine Wut an der richtigen Stelle herauslassen konnte. Meine Stimme überschlug sich fast, so außer mir brüllte ich ihn an.
Völlig entsetzt kam Erika aus dem Badezimmer hinzu und wollte wissen, was los sei. Abwechselnd auf Türkisch und Deutsch brachte ich hervor, dass ich mich von Kerim bedrängt fühlen würde und deshalb extreme Probleme mit meinem Freund bekommen hätte.
»So geht das nicht weiter!«, erklärte ich Erika und Hülya. «Ihr müsst mir unbedingt helfen, wenn ihr nicht wollt, dass etwas Fürchterliches geschieht. Bitte, sprecht mit eurem Mann, dass er Kerim zur Räson bringt!«
Die ganze Zeit während meiner Anklage hatte Letzterer steif wie ein Zinnsoldat mitten im Zimmer gestanden und eisern geschwiegen. Als er sah, dass ich mich langsam wieder beruhigt hatte, trat er einen Schritt auf mich zu. Automatisch wich ich zurück.
»Du bist die Frau, die ich heiraten werde!«, sagte er mit fester Stimme und schaute mir gerade in die Augen. »Ich habe dich gesehen und mich sofort in dich verliebt«, verlieh er seiner Aussage noch mehr Nachdruck.
Mir blieb angesichts dieser Offenbarung die Spucke weg. Auch Erika und Hülya waren sprachlos.
»Wie kannst du behaupten, dass du in mich verliebt bist?«, herrschte ich ihn an, als ich wieder halbwegs klar denken konnte. »Du kennst mich nur vom Sehen und wir haben bis auf den heutigen Tag noch keine drei Sätze miteinander gewechselt!«
Kerim zuckte nur mit den
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