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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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hinsetzen. Zu gern hätte ich gewusst, was sich in Kerims Wohnung zugetragen hatte. Ich hatte aber nicht den Mut, Mahmud oder Ogün danach zu fragen.
    Als Mahmud aus der Dusche kam, schärfte er mir erneut ein, mich unbedingt an sein Verbot zu halten und Kerim und seine Familie zu meiden. Wieder drohte er mir, dass etwas Schreckliches passieren würde, falls ich mich darüber hinwegsetzte. Dann zog er sich an und verließ die Wohnung.
    Voller Fragen blieb ich zurück. Bestimmt hatte Petra in ihrer Wohnung von der Auseinandersetzung etwas mitbekommen, fiel mir ein. Sie wohnte ja fast Tür an Tür mit Kerim und das Haus war sehr hellhörig. Ich hatte schon den Telefonhörer in der Hand, um sie anzurufen und meine Neugier zu stillen, als es an der Haustür klingelte. Zu meiner Freude war es tatsächlich Petra. Völlig aufgelöst stürmte sie in die Wohnung und ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen.
    »Sag mal, was war denn gerade bei uns im Haus los?«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich konnte Mahmud in einer Lautstärke brüllen hören, als hätte er bei mir in der Wohnung gestanden.«
    Ich wollte etwas sagen, aber sie redete schon weiter.
    »Lass mich raten Katja: Du hast ihm die Geschichte mit Kerim erzählt. Stimmt’s?«
    Sie legte den Kopf schief und schaute mich so drollig an, dass ich lachen musste.
    »Stimmt!«, pflichtete ich ihr bei. »Und jetzt wollte ich dich gerade anrufen, um von dir zu erfahren, was sich dort drüben abgespielt hat.«
    »So genau kann ich dir das leider auch nicht sagen«, erwiderte sie bedauernd. »Ich habe ja nichts gesehen, sondern nur gehört. Auf jeden Fall muss es da ganz schön zur Sache gegangen sein, Katja. Ab und zu hat man ein Gepolter gehört, als hätte Mahmud irgendwelche Möbel umgeworfen. Nachdem er gegangen ist, habe ich Hülya und Erika deutlich weinen gehört«, schloss Petra ihren kurzen Bericht.
    Als ich ihr erklärte, dass ich sie künftig nicht mehr besuchen könne, da Mahmud mir verboten habe, ihr Wohnhaus zu betreten, versprach sie mir, am nächsten Tag bei ihren Nachbarn vorbeizuschauen. Sie wollte sich ein Bild von den Geschehnissen machen und mir dann sofort Bericht erstatten.
    »Ich denke nicht mal, dass es Kerim um deine Person gegangen ist«, mutmaßte sie. »Ich fürchte eher, dass er sich an dich rangemacht hat, weil er hoffte, in dir eine geeignete Heiratskandidatin gefunden zu haben.«
    Von dieser Seite hatte ich die Geschichte noch gar nicht betrachtet. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr glaubte ich, dass Petra recht hatte. Ich erinnerte mich an das erste Treffen mit Hülya und Erika, als die beiden Frauen mir erzählt hatten, Kerim befinde sich auf Brautschau, um an eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu gelangen. Sollte dem wirklich so sein, dann hatte er jetzt wohl die Quittung für sein falsches Spiel bekommen.
    Petra sah es ähnlich wie ich. Auch ihr Mitleid mit Kerim hielt sich in Grenzen.
    Wir saßen noch eine ganze Weile zusammen und redeten über unsere Zukunft. Wenn ich jemals einen Weg aus meiner Beziehung zu Mahmud finden sollte, so hatte ich Petra ja versprochen, würde ich sie mitnehmen. Auch sie war in ihrer Beziehung mit Ahmed zunehmend unglücklich. Den letzten schweren Knacks hatte ihr Verhältnis durch die geplatzte Hochzeit bekommen. Petra hatte Ahmed schon viele Dinge verziehen, aber hier war selbst sie an ihre Grenzen gestoßen.
    Wir stellten uns oft vor, wie es sein würde, wenn wir wieder frei leben könnten. In unseren Träumen richteten wir uns eine gemeinsame Wohnung ein, gaben Partys und gingen oft aus. All dies völlig ohne Angst! Im Sommer würden wir täglich ins Schwimmbad gehen und uns von der Sonne knackig braun färben lassen, malten wir uns aus. Schon allein die Vorstellung weckte Glücksgefühle in uns. Der Besuch eines Freibades war etwas, das ich fast am meisten vermisste. Noch nie war meine Haut so strahlend weiß gewesen, wie seit ich mit Mahmud zusammen war!
    Fast alle Frauen in meinem Umfeld, die aus traditionsbewussten türkischen Familien stammten, hatten noch nie in ihrem Leben ein Schwimmbad besucht. Es war völlig undenkbar, dass man sich als Frau halb nackt der Öffentlichkeit präsentierte. Die Frauen aus Mahmuds Familie hatten mir erzählt, dass es in der Türkei eigene Strandabschnitte nur für Frauen gebe. Diese seien von einem hohen Sichtschutz umgeben, sodass niemand Einblick bekomme. Die Mädchen, die hier in Deutschland lebten, dürften selbst in der Schule nicht am

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