Gefangen in Deutschland
Schwimmunterricht teilnehmen. Oft würde ihnen auch der ganz normale Sportunterricht untersagt. Obwohl diese Fächer ebenfalls mit einer Anwesenheitspflicht belegt seien, würden die Mädchen davon ferngehalten.
»Weißt du, was ich auch gerne mal wieder tun würde?«, fragte Petra mich mit einem sehnsüchtigen Glanz in den Augen, als sie schon an der Tür stand, um sich zu verabschieden. »Tanzen gehen! Einfach nur in die Disco zum Abtanzen …«
Auch ich hatte schon seit einer Ewigkeit keine Diskothek mehr von innen gesehen. Ich wusste aber sehr genau, dass Mahmud und Ahmed des Öfteren in einem der einschlägigen Läden der Stadt zu Gast waren. Mich und Petra mal mitzunehmen, war für sie undenkbar. Was mich umso mehr ärgerte, als ich mir sehr sicher war, dass die beiden bestimmt nicht nur zum Tanzen dorthin gingen.
»Bald, Petra!«, tröstete ich meine Freundin. »Bald gehen auch wir beide wieder tanzen. Und ins Schwimmbad! Und überhaupt – du wirst sehen!«
Petra schaute mich mitleidig an. Das glaubst du doch selber nicht!, schien ihr Blick zu sagen. Aber sie gab mir nur einen Abschiedskuss auf die Wange und machte sich mit hängenden Schultern auf den Weg nach Hause.
18. K APITEL
Ein Besuch in der Moschee
»Ich möchte, dass du von nun an regelmäßig die Moschee besuchst!« Streng blickte Mahmud mich an. »Du weißt, was mein Vater gesagt hat. Als meine zukünftige Ehefrau gehört das zu deinen Pflichten!«
Ich hatte schon die leise Hoffnung genährt, das Thema »Hochzeit« würde in unserem Alltag allmählich wieder in Vergessenheit geraten, nachdem Mahmud etwa einen Monat lang nicht mehr auf die Unterredung mit seinem Vater zurückgekommen war. Doch schlagartig war diese drohende Zukunftsperspektive erneut gegenwärtig. Und zwar gegenwärtiger denn je! Fast beiläufig teilte Mahmud mir mit, sein Vater habe als Hochzeitsgeschenk ein Haus in der Türkei für uns gekauft.
Ich musste schlucken. Wie naiv ich doch manchmal war! Ich konnte doch nicht ernsthaft geglaubt haben, dass Mahmud und seine Familie die geplante Hochzeit einfach vergessen würden! Fieberhaft überlegte ich, wie ich meinen Kopf am besten aus dieser Schlinge befreien konnte. Schließlich beschloss ich, mich zunächst einmal in allem, was den Islam betraf, einfach dumm zu stellen, um damit einen Übertritt zu dieser Religion hinauszuzögern. Jener Schritt war schließlich eine wichtige Voraussetzung für die Eheschließung.
Und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mich eine große Faszination ergriff, als ich zum ersten Mal den Fuß in unsere städtische Moschee setzte. Es war an einem Freitag, denn das Freitagsgebet ist für Muslime das wichtigste der Woche: Gegenüber den an den anderen Wochentagen fünfmal täglich stattfindenden Ritualgebeten ist es um eine Predigt durch den Imam erweitert. Ich hatte mich mit meinem schönsten Kopftuch verschleiert. Mahmud hatte mir Aysegül und Hatice zur Begleitung mitgeschickt. Die beiden Frauen sollten mir helfen, mich in der Moschee zurechtzufinden.
Von außen war der Bau fast nicht von den anderen Häusern in der Straße zu unterscheiden. Er bestand aus roten Backsteinen und machte nicht gerade einen einladenden Eindruck auf mich. Ich wäre nie darauf gekommen, dass sich ein Gotteshaus hinter der einfachen Fassade verbergen könnte. Kaum hatte ich die Moschee betreten, wurde ich allerdings angenehm überrascht. Im Eingangsbereich befand sich eine kleine Kammer, in der die Gläubigen zunächst ihre Schuhe abstellen mussten, denn das Betreten des Gebetsraums mit Schuhen war aus hygienischen Gründen strengstens untersagt. Von dort aus führte ein langer Gang zu den eigentlichen Räumen. Der Bereich für die weiblichen Besucher war durch einen blickdichten Vorhang abgetrennt. Dicke Teppiche in wunderschönen Farben und mit kunstvoll eingewebten Ornamenten bedeckten den Fußboden.
Gespannt auf das, was mich nun erwarten würde, folgte ich Hatice und Aysegül. Als wir den uns zugedachten Raum betraten, saßen da bereits sechs andere Frauen. Das war vergleichsweise wenig, denn auf dem Weg in die Moschee hatte ich ungefähr das Zehnfache an Männern gesehen, die sich alle dorthin aufgemacht hatten. Sofort sprach ich Aysegül auf meine Feststellung an. Sie erklärte mir, dass Frauen im Islam im Gegensatz zu Männern, für die der freitägliche Moscheebesuch verpflichtend sei, ihre Gebete auch zu Hause verrichten dürften. Viele konnten ja ihre Wohnung der Kinder wegen nicht verlassen. Oder
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