Gefangen in Deutschland
aber sie hatten ein generelles Ausgehverbot von ihren Männern erhalten.
Wir gesellten uns zu den anderen Frauen und nahmen ebenfalls auf dem dicken Teppich Platz, die Gesichter alle in eine Richtung, nämlich zur Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam in Mekka, gewandt. Durch den Vorhang konnte man ein leises Stimmengewirr aus dem Männerbereich hören, das aber plötzlich von der einen auf die andere Sekunde verstummte: Der Imam hatte den Gebetsraum betreten. In einem monotonen Singsang begann er aus dem Koran vorzulesen.
Leider verstand ich nicht wirklich etwas von seinen Worten, da er fast ausschließlich die arabische Sprache benutzte. Trotzdem fühlte ich mich inmitten der anderen Frauen äußerst wohl. Ich spürte, wie sich eine mir unerklärliche, aber umso angenehmere Wärme in meinem Körper ausbreitete. Obwohl ich evangelisch getauft bin, hatte ich in meinem bisherigen Leben nur selten eine Kirche besucht. Einer der Gründe dafür war, dass es mich dort immer gefröstelt hatte. Niemals hatte ich in einer christlichen Kirche so etwas wie Geborgenheit empfunden. Hier, in dieser kleinen Moschee, war es genau andersherum.
Die Zeit verging wie im Flug, und als der Imam das Gebet beendet hatte und sich alle von ihren Plätzen erhoben, um sich in Richtung Ausgang zu begeben, war ich fast ein wenig traurig, dass es schon vorbei war. Wir zogen unsere Schuhe wieder an und blieben noch eine Weile bei den anderen Frauen vor der Moschee stehen, um uns zu unterhalten.
Natürlich wollten Hatice und Aysegül sofort von mir wissen, wie es mir denn gefallen habe. Sie freuten sich sehr, als ich ihnen von den positiven Gefühlen erzählte, die mich während des Aufenthaltes in der Moschee überkommen hatten.
»Da bist du ja endlich! Ich stehe mir hier schon die Beine in den Bauch!«, begrüßte mich Petra aufgeregt, als ich von meinem Ausflug nach Hause zurückkehrte.
Erstaunt blickte ich sie an. Sie schien schon länger auf mich gewartet zu haben.
»Hatten wir etwa eine Verabredung, die ich vergessen habe?«
Ungeduldig hüpfte Petra von einem Bein aufs andere.
»Nein, nein … Aber jetzt mach schon! Schließ endlich die Haustür auf! Ich muss dir dringend was erzählen!«
Kaum hatten wir in der Küche Platz genommen, platzte es auch schon aus ihr heraus.
»Stell dir vor, jetzt fängt dieser Kerim an, sich an mich ranzuschmeißen! Er hat mir heute Blumen vorbeigebracht und mich gefragt, ob ich mal einen Kaffee mit ihm trinken gehe.«
Für einen Moment war ich völlig perplex. Dieser Mann war an Charakterlosigkeit aber wirklich nicht mehr zu überbieten! Nachdem er bei mir keinen Erfolg gehabt hatte, baggerte er nun meine beste Freundin an, obwohl er doch genau wusste, dass Petra mit Ahmed zusammen war.
Plötzlich kam mir noch ein anderer Gedanke.
»Wie konntet ihr euch denn eigentlich verständigen? Du sprichst doch gar kein Türkisch, und Kerim kann fast kein Wort Deutsch.«
»Erika war dabei und hat alles übersetzt«, klärte Petra mich auf.
Ich war ehrlich entrüstet. Wie konnte Erika die billigen Anmacheversuche ihres Schwagers auch noch unterstützen?
»Erzählst du Ahmed davon?«, wollte ich von meiner Freundin wissen.
»Bist du verrückt?«, entfuhr es ihr. »Der würde garantiert auch nicht anders als Mahmud reagieren und Kerim in Stücke reißen.«
Wir beratschlagten noch eine Weile, was nun zu tun sei. Petra hatte Kerim ebenso wie ich unmissverständlich klargemacht, dass sie an einer näheren Bekanntschaft mit ihm keinerlei Interesse hätte. Nun blieb abzuwarten, ob er diese Tatsache respektierte – oder ob er in ihrem Fall auch so reagierte, wie er es bei mir getan hatte.
Irgendwann wechselten wir das Thema, denn Petra wollte von mir wissen, wie es mir denn in der Moschee gefallen habe. Skeptisch schaute sie mich an, nachdem ich mit meinem Erlebnisbericht geendet und auch von meinem Wohlbefinden dort berichtet hatte.
»Du willst jetzt aber nicht ernsthaft zum Islam übertreten, oder?«
»Nein, nein, natürlich nicht!«, wiegelte ich sofort ab. »Ich werde mit Sicherheit nichts tun, was mich einer Hochzeit mit Mahmud auch nur einen Schritt näherbringen könnte.«
Ein Grinsen umspielte Petras Mundwinkel.
»Ja, ich weiß, das war wirklich eine dumme Frage von mir!«, sagte sie mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.
Wir saßen noch immer am Tisch und klönten über alles Mögliche, als Mahmud unerwartet früh von der Arbeit nach Hause kam.
»Katja, ich muss morgen ins
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