Gefangen in Deutschland
vorzubereiten, flunkerte ich ihr außerdem vor, ich sei beim Fensterputzen von der Leiter gefallen und schon seit drei Tagen im Krankenhaus.
Ich konnte durchs Telefon hindurch spüren, dass meine Mutter mit meiner Vorgehensweise absolut nicht einverstanden war. Auch die Geschichte mit dem Leitersturz schien sie mir nicht recht abzunehmen. Trotzdem versprach sie sofort, mir zu helfen und an dem besagten Tag zu kommen.
Eine Woche später hatte ich alles hinter mich gebracht. Ich hatte mich bei dem Eingriff gegen eine Vollnarkose und nur für eine örtliche Betäubung entschieden. Ich wollte so schnell wie möglich wieder auf den Beinen sein und auf keinen Fall unnötige Zeit in der Arztpraxis verschlafen. Leider hatte ich dadurch ziemlich starke Schmerzen und bekam den Schwangerschaftsabbruch bei vollem Bewusstsein mit. Meine Mutter verhielt sich die ganze Zeit vorbildlich und durfte sogar während der OP meine Hand halten. Anschließend gingen wir in ein Café, wo ich erst einmal wieder zu Kräften kommen wollte. Völlig gegen meine Gewohnheit trank ich einen Cognac. Ich konnte nur hoffen, dass sich die Alkoholfahne verflüchtigt haben würde, bevor ich auf Mahmud traf. Meine Mutter beschwor mich, künftig verantwortungsbewusster in Sachen Verhütung vorzugehen, da sie eine zweite Abtreibung nicht verkraften würde. Nachdem ich ihr das fest in die Hand versprochen hatte, brachte sie mich nach Hause, wo mich schon die nächste Überraschung erwarten sollte.
24. K APITEL
Stadtbummel mit Folgen
»Morgen Abend fahre ich zum Flughafen und hole meine Schwester ab. Sie kommt zum ersten Mal nach Deutschland und wird für eine Weile bei uns wohnen«, verkündete mir Mahmud am Abend nach dem Eingriff die Neuigkeit.
Nicht mit einem Wort fragte er mich, ob es mir recht sei, meine Wohnung für einen nicht näher definierten Zeitraum mit einer mir vollkommen Unbekannten zu teilen. Er hatte es so beschlossen, und ich hatte mich zu fügen – so war das eben. Natürlich bedeutete die Tatsache, dass seine Schwester bei uns einzog, eine Menge Mehrarbeit für mich, und das ausgerechnet jetzt, wo ich noch immer mit den Folgen der Rippenbrüche zu kämpfen hatte. Auch machte mir der Rucksackverband, der meinen Schlüsselbeinbruch bei der Heilung unterstützen sollte, nach wie vor zu schaffen. Dazu kamen die starken Blutungen vom Schwangerschaftsabbruch – für mich, die ich an Eisenmangel litt, eine zusätzliche Belastung. Zum Glück wollte meine Mutter noch drei Tage länger bei mir bleiben, sodass ich wenigstens Unterstützung bei den Vorbereitungen auf den fremden Besuch hatte.
»Bis jetzt wusste ich nicht einmal, dass du noch eine Schwester in der Türkei hast. Könnte sie denn nicht bei deinem Vater wohnen oder bei Ogün?«, wagte ich einen vorsichtigen Einwand.
Mahmuds zorniger Blick brachte mich sofort zum Schweigen.
»Ich weiß nicht, wo dein Problem ist, Katja! Wir haben hier genug Platz. Hast du vielleicht Angst, dass du dann hier nicht mehr machen kannst, was du willst?«
Diese Frage empfand ich als so irrwitzig, dass ich mir nur mühsam ein verächtliches Grinsen verkneifen konnte. Wo, bitte schön, konnte ich hier machen, was ich wollte? Merkte Mahmud eigentlich nicht, wie lächerlich er sich mit solchen Bemerkungen machte? Doch wie immer beschloss ich, vorsichtshalber meinen Mund zu halten, um keinen Streit heraufzubeschwören.
Als Mahmud später die Wohnung verlassen hatte, griff ich gleich zum Telefonhörer, um Aysegül von der erfolgten Abtreibung zu berichten. Sie und meine Mutter waren die einzigen Menschen, die ich über diese schwerwiegende Entscheidung ins Vertrauen gezogen hatte. Ich hatte überlegt, auch Manuela anzurufen und ihr davon zu erzählen, weil ich mich ihr doch sehr nahe fühlte. Aber dann hatte ich beschlossen, das Risiko, dass Mahmud aus irgendeinem dummen Zufall von dem Abbruch erfahren könnte, lieber so gering wie möglich zu halten.
»Ach, übrigens, Aysegül, was ich dir noch sagen wollte: Ab morgen wohnt deine Schwägerin bei mir.«
»Was? Welche Schwägerin? Davon weiß ich ja gar nichts!«, entgegnete sie bass erstaunt.
»Na, Alev, Mahmuds und Ogüns kleine Schwester. Haben sie dir nichts erzählt?«, wunderte ich mich.
»Kein Sterbenswort! Also, da kannst du dich schon mal auf einiges gefasst machen«, warnte sie mich vor.
»Warum?« Sofort wurde ich hellhörig. »Auf was soll ich mich denn gefasst machen?«
»Alev ist ein Miststück«, posaunte Aysegül in ihrer gewohnten
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