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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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ihren Lebensmittelläden oder Baufirmen. Dieses System funktionierte schon seit Jahren bestens und mich packte jedes Mal die Wut, wenn ich wieder mit ansehen musste, wie sie sich zusätzlich zu ihrer Sozialhilfe Geld für neue Kleidung, Schulsachen oder Möbel auszahlen ließen. Die Sachbearbeiter schrieben meist großzügig die Zahlungsanweisungen aus und machten sich nie die Mühe, auch mal nachzuprüfen, ob denn alles mit rechten Dingen zuging. Auch das Ausbleiben der angeforderten Quittungen, die dem Nachweis dienen sollten, dass das Geld tatsächlich für die beantragten Dinge ausgegeben worden war, schien auf den Ämtern niemanden zu stören und zog keinerlei Sanktionen nach sich.
    Was das Asylantragsverfahren anging, zeigte sich die Familie ebenfalls äußerst erfinderisch. Pässe wurden vor der Einreise nach Deutschland entweder weggeworfen oder gefälscht, sodass nicht mehr nachzuvollziehen war, woher der Asylbewerber letztendlich stammte oder wie alt er war. Ich habe viele Türken kennengelernt, die selbst nicht mehr wussten, wann sie eigentlich Geburtstag hatten. Half auch das alles nichts, wurde eben eine deutsche Frau gesucht, die ledig und in finanziellen Nöten war. Die Familie legte dann Geld zusammen – manchmal bis zu 20.000 Euro – und bezahlte die Frau dafür, dass sie eine Scheinehe mit dem jeweiligen Sohn oder Bruder einging und ihm somit einen legalen Aufenthaltsstatus verschaffte. Ich wusste nie, über wen ich mich mehr empören sollte: über die türkischen Männer bei ihrem Asylbetrug oder über die deutschen Frauen, die dieses abgekartete Spiel mitmachten.
    Der Termin mit Alev an jenem Dezembermorgen war allerdings nur eine kurze Formsache und belastete mich nicht weiter. Klarerweise nutzten wir die Gelegenheit, einen Schaufensterbummel durch die vorweihnachtlich dekorierte Innenstadt zu machen. Alev, die noch nie aus ihrem anatolischen Dorf herausgekommen war, zeigte sich von der Vielfalt, die die deutschen Geschäfte zu bieten hatten, geradezu überwältigt. Ausnahmsweise waren wir allein unterwegs, denn Aysegül, die es sich unter normalen Umständen bestimmt nicht hätte nehmen lassen, uns zu begleiten, befand sich bei ihren Eltern, um ihrer grippekranken Mutter im Haushalt zu helfen. Ich war froh über den erzwungenen Abstand zwischen uns, denn nach wie vor stand Aysegül zigmal am Tag unter irgendeinem Vorwand bei uns vor der Tür. Mal borgte sie sich Lebensmittel aus, mal war es eine dringende Frage wegen Özlem. Allmählich riss mir wirklich der Geduldsfaden. Mir reichte schon die ständige Kontrolle durch Mahmud, da brauchte ich nicht auch noch Aysegül als ständige Beobachterin. Alev waren die zunehmenden Spannungen zwischen mir und ihrer Schwägerin nicht unbemerkt geblieben. Aysegül habe schon immer einen Hang zur Wichtigtuerei besessen und sei sowieso kein ehrlicher und aufrichtiger Mensch, goss sie Wasser auf meine Mühlen. Aber das ging mir dann doch zu weit, schließlich war Aysegül die Letzte in meinem Umkreis, die immer zu mir gehalten und mir mein trauriges Dasein erleichtert hatte.
    Alev und ich standen gerade vor dem Schaufenster eines Pfandleihhauses und bewunderten den prachtvollen Schmuck in der Auslage, als ich plötzlich einen goldenen Rubinring entdeckte, der einem meiner Schmuckstücke zum Verwechseln ähnlich sah. Ich hatte diesen Ring, der sehr alt war und sich schon seit ewigen Zeiten im Familienbesitz befand, von meiner Großtante geerbt. Weil er im Laufe der Jahre aus der Mode gekommen war, trug ich ihn eigentlich nie, sondern bewahrte ihn stattdessen in meiner Schmuckschatulle auf. Alev wollte mich schon weiterziehen, doch wie von einem Impuls getrieben stieß ich die Tür des Pfandleihhauses auf. Dieser Ring war so außergewöhnlich gearbeitet, dass es ihn eigentlich kaum zweimal geben konnte. In meinem Ring waren die Initialen meiner Ururgroßmutter eingraviert – ich wollte nun unbedingt nachsehen, ob das bei diesem Exemplar auch der Fall war. Zwar rechnete ich nicht ernsthaft damit, es wäre ja auch zu merkwürdig gewesen, aber ich wollte es wenigstens überprüfen.
    Ich erklärte dem Verkäufer, an welchem Schmuckstück ich interessiert sei, und bereitwillig holte er mir den Ring aus dem Schaufenster. Innerhalb von Sekunden wurde mein Verdacht zur schrecklichen Gewissheit. Unverkennbar waren die Initialen meiner Ururgroßmutter in das goldene Band eingraviert, sodass kein Zweifel mehr bestand: Ich hielt meinen eigenen Schmuck in den

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