Gefangen in Deutschland
alles in bester Ordnung zwischen uns. Und ich spielte sein übles Spiel mit. Längst hatte ich mir angewöhnt, die Dinge, die ich nicht ändern konnte, einfach hinzunehmen. Früher war ich eine echte Kämpfernatur gewesen, aber dieses Ich von mir musste in einem anderen Leben gelebt haben.
Aysegül hatte gleich nach seiner Ankunft begonnen, ihre Sachen zusammenzupacken. Mahmud bot ihr an, in der Empfangshalle des Krankenhauses auf ihn zu warten, damit er sie später mit nach Hause nehmen könne. Ich begann innerlich zu beten, dass nicht ausgerechnet jetzt eine Krankenschwester ins Zimmer platzen würde, um mich zu dem angekündigten Termin beim Frauenarzt abzuholen. Mahmud würde sicherlich darauf bestehen, mich zu begleiten, und auf diese Weise von der Schwangerschaft erfahren.
Meine Sorge erwies sich jedoch als unbegründet, da er es eilig zu haben schien. Nach einer guten Viertelstunde, die wir mit belanglosem Gerede verbrachten, verabschiedete er sich.
»Übrigens«, sagte er schon auf der Türschwelle, »morgen nehme ich dich wieder mit nach Hause! Sollen die Ärzte sagen, was sie wollen: Im Bett rumliegen kannst du schließlich auch bei uns.«
Erleichtert atmete ich auf, als Mahmud zur Tür hinaus war. Nun fieberte ich dem Frauenarzttermin förmlich entgegen. In welchem Schwangerschaftsstadium mochte ich mich wohl befinden? Nicht auszudenken, wenn ich die zwölfte Woche schon überschritten hätte und mir gar keine andere Wahl mehr bleiben würde, als das Kind auszutragen!
Ungefähr zwei Stunden später konnte ich aufatmen. Laut Ultraschalluntersuchung befand ich mich erst in der achten Schwangerschaftswoche. Soweit der Arzt es beurteilen konnte, hatte der Embryo keinen Schaden durch Mahmuds Schläge erlitten. Hundertprozentig ausschließen könne er es aber auch nicht.
Vorsichtig informierte ich den Gynäkologen von meinem Entschluss, die Schwangerschaft zu unterbrechen. In wenigen Worten legte ich ihm meine Gründe dafür offen. Er schien Verständnis für meine Situation zu haben, konnte mir aber nicht weiterhelfen.
»Die Indikationsbescheinigung für einen solchen Ein-griff kann Ihnen nur Ihr niedergelassener Frauenarzt ausstellen. Ich bin dazu leider nicht berechtigt«, informierte er mich.
Am nächsten Tag verließ ich tatsächlich das Krankenhaus. Ich musste ein Formular unterschreiben, dass ich gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte nach Hause ging. Überflüssig zu erwähnen, dass ich liebend gern noch zwei, drei Tage länger geblieben wäre, zumal mir meine Verletzungen nach wie vor große Beschwerden machten. Aber Mahmud hatte anders entschieden: Kaum waren wir in unserer Wohnung angekommen, riss er mir auch schon die Kleider vom Leib, um sich an mir sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Dass ich dabei vor Schmerzen aufstöhnte, schien ihn nur noch mehr anzustacheln. Wieder einmal stellte ich mir vor, wie ich ihn mit einem gezielten Messerstich töten würde. In allen Einzelheiten malte ich mir die Tat aus, wodurch ich meiner Demütigung zumindest mental entkommen konnte.
Als Mahmud mich später allein ließ, um sich mit Freunden zum Kartenspielen zu treffen, griff ich sofort zum Telefonhörer, um Aysegül anzurufen. Sie war überrascht zu hören, dass ich schon wieder zu Hause war, und versprach mir, so schnell wie möglich zu mir zu kommen.
Um mir die Wartezeit zu verkürzen, begann ich meine Krankenhaustasche auszuräumen. Dabei fiel mein Blick in den großen Schlafzimmerspiegel. Noch war mir nichts von der Schwangerschaft anzusehen, stellte ich fest. Wie ich wohl mit dickem Bauch aussehen würde? Kurz entschlossen stopfte ich mir ein Kissen unter die Bluse.
Meine Gedanken schweiften zurück zu dem Tag, an dem die kleine Özlem geboren worden war. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie die Hebamme mir die Kleine in die Arme gelegt und ich voller Ehrfurcht ihre winzigen Fingerchen bewundert hatte. Wie schön es sein musste, in einer normalen Partnerschaft zu leben und diese Liebe mit einem gemeinsamen Kind zu krönen! Doch so gern ich dieses Baby auch bekommen hätte, es durfte unter keinen Umständen zur Welt kommen!, rief ich mich zur Räson, während mir die Tränen ungehindert über die Wangen strömten. Wie sollte ich dieses kleine Wesen vor Mahmuds Übergriffen schützen? Welch ein Leben würde es erwarten? Mit viel Glück würde es ein Junge werden und hätte damit alle Freiheiten dieser Welt – aber was wäre, wenn es ein Mädchen würde? Was für ein Schicksal würde
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