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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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Offenheit hinaus.
    Es folgte eine ausführliche Schilderung diverser Auseinandersetzungen, die sie mit Alev während mehrerer Türkeiurlaube ausgefochten hatte. Alev schien ihre Langeweile hauptsächlich damit zu befriedigen, dass sie zwischen den einzelnen Familienmitgliedern Lügen verbreitete und Intrigen spann.
    Na, hervorragend!, dachte ich. Mir blieb auch wirklich nichts erspart. Da konnte ich mich ja gleich mal auf gehörigen Stress mit Mahmud einstellen.
    »Am besten du erzählst ihr nichts im Vertrauen!«, gab Aysegül mir noch einen guten Rat. »Sie rennt sonst sofort zu Mahmud und tratscht alles brühwarm weiter.«
    Am nächsten Nachmittag fuhr Mahmud los, um Alev vom Flughafen abzuholen. In der Zwischenzeit bereitete ich alles für ihre Ankunft vor. Zum Glück hatten wir ein Gästezimmer, das uns normalerweise als Abstellraum und für die Bügelwäsche diente. Ich begann ein paar Dinge in unser Schlafzimmer umzuräumen und das Bett frisch zu beziehen. Meine Mutter ließ es sich natürlich nicht nehmen, mir zu helfen.
    Wir waren gerade fertig, als ich auch schon Mahmuds Wagen auf den Parkplatz vor unserem Haus vorfahren sah. Kurz darauf betraten Bruder und Schwester mit mehreren Taschen bepackt unsere Wohnung. Obwohl Alev ihr Kopftuch tief in die Stirn gezogen hatte, konnte man sehen, dass sie eine ausgesprochen hübsche Frau war. Natürlich sprach sie kein Wort Deutsch, und so kamen mir meine Türkischkenntnisse einmal mehr zugute. Alev zeigte sich angenehm überrascht, dass ich ihre Sprache halbwegs fließend beherrschte. Vom ersten Eindruck her empfand ich sie als durchaus sympathisch, aber Aysegüls Warnung klang mir noch in den Ohren.
    Ich hatte eine Kleinigkeit zu essen vorbereitet, da ich ja wusste, dass Alev viele Stunden unterwegs gewesen und sicher hungrig war. Zwischen dem kleinen Dorf in Südostanatolien, aus dem Mahmuds Familie stammte, und dem nächsten Flughafen lagen mehrere Hundert Kilometer. Wir nahmen alle am Tisch Platz und ich reichte jedem einen gut gefüllten Teller. Mahmud aß wie immer mit großem Appetit, doch seine Schwester stocherte nur in ihrem Teller herum, als ob sie nach etwas suchen würde. Ich hatte Manti gekocht, ein typisches türkisches Gericht, das aus kleinen, mit Hackfleisch gefüllten Teigtaschen in einer Joghurt-Tomaten-Soße besteht.
    »Du musst doch fürchterlich hungrig sein, willst du nicht einen Happen zu dir nehmen?«, versuchte ich Alev zum Essen zu animieren.
    »Nein danke, ich bin einfach viel zu müde«, erwiderte sie entschuldigend, wobei sie mir jedoch nicht in die Augen sah.
    Ich ärgerte mich zwar über ihre Reaktion, versuchte aber mir nichts anmerken zu lassen. Schließlich hatte ich mir wirklich viel Mühe mit der Zubereitung gegeben. Nach dem Essen servierte ich Mahmud und Alev im Wohnzimmer Tee, bevor ich mich daranmachte, die Küche in Ordnung zu bringen. Meine Mutter beobachtete mich die ganze Zeit mit einem Blick, in dem sich abwechselnd Erstaunen und Entsetzen widerspiegelten.
    Nach dem Aufräumen setzte ich mich zu den beiden Geschwistern auf die Couch. Alev hatte mittlerweile ein kleines Päckchen aus ihrer Tasche hervorgeholt, das sie mir nun in die Hand drückte. Ich spürte, wie ich vor Verlegenheit errötete. Mit einem Gastgeschenk hatte ich wirklich nicht gerechnet. Als ich das bunte Papier abgewickelt hatte, kamen ein paar goldene Ohrringe zum Vorschein. Sie waren sehr filigran gearbeitet und sahen einfach bezaubernd aus. Ich bedankte mich überschwänglich und lief sofort zum Spiegel, um meinen neuen Schmuck anzulegen.
    Beim Betrachten meines Spiegelbildes erschrak ich wieder sehr. Immer noch war ich schwer gezeichnet: Meine Augenhöhlen wirkten eingefallen und mein Gesicht war nicht nur um den Nasenbereich stark geschwollen. Mahmud hatte Alev bestimmt schon auf der Fahrt vom Flughafen hierher auf meinen Zustand vorbereitet. Gern hätte ich gewusst, welchen Grund er für meine Verletzungen angegeben hatte. Die Wahrheit sicherlich nicht …
    Die nächsten Tage verliefen, wie ich mir insgeheim erhofft hatte, sehr abwechslungsreich. Tatsächlich konzentrierte sich Mahmud nicht wie sonst ausschließlich auf mich und obendrein hatte ich genug Gelegenheit, der erstickenden Einsamkeit der Wohnung zu entfliehen, weil ich Alev bei ihren ganzen Verwandtenbesuchen begleiten musste. Oft kam auch Aysegül mit der kleinen Özlem mit, während meine Mutter die Zeit lieber nutzte, die schöne Innenstadt zu erkunden. Ihr lag nichts an diesen

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