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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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anderen!«
    »Aber Katja, das kannst du doch nicht machen – Aysegül so bloßzustellen! Das ist vollkommen unmöglich …«
    Doch ich hörte nicht auf Alev. Eine schon lang nicht mehr empfundene Stärke hatte von mir Besitz ergriffen. Ich war es leid, immer nur das Opfer zu sein und auf andere Rücksicht zu nehmen. Jetzt war ich an der Reihe!
    Wütend nahm ich meine Jacke von der Garderobe und machte mich auf den Weg. Gleich nach dem ersten Klingeln öffnete Aysegül mir die Tür. Freundlich bat sie mich herein. Ich sah im Hintergrund die Männer am Tisch sitzen. Nein, ich wollte diese Wohnung nicht betreten!
    Ohne groß um den heißen Brei herumzureden konfrontierte ich Aysegül mit ihrer Tat. Meine Stimme wurde immer lauter, und ich schrie meinen ganzen aufgestauten Ärger hinaus. Aysegül schaute mich entsetzt an und versuchte mir mit Zeichensprache zu bedeuten, den Mund zu halten. Aber das regte mich nur noch mehr auf. Als sie sich gar nicht mehr anders zu helfen wusste, fing sie an, mich als Lügnerin zu beschimpfen. Dies brachte das Fass zum Überlaufen: So fest ich konnte hieb ich ihr meine Faust ins Gesicht. Sie taumelte zurück, doch ich packte sie sofort an ihrer Bluse und zerrte sie vor die Wohnungstür. Wie eine Wahnsinnige begann ich auf sie einzuschlagen. Längst waren die Männer von ihren Plätzen aufgesprungen und versuchten uns auseinanderzubringen. Ich spürte, wie mir jemand mehrmals hintereinander mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Anhand der Wucht der Schläge erkannte ich, dass es nicht Aysegül sein konnte.
    Plötzlich hörte ich Mahmud laut brüllen. Wie aus dem Nichts war er im Treppenhaus aufgetaucht. Er riss mich an den Haaren zurück – mein Kopftuch hatte ich in dem Gerangel längst verloren –, schimpfte wüst auf mich ein und verpasste mir mehrere Fausthiebe. Mein Körper war jedoch so voller Adrenalin, dass ich keinerlei Schmerz verspürte.
    »Geh sofort zurück in unsere Wohnung und warte da auf mich!«, herrschte Mahmud mich an. »Du wirst schon sehen, was deine Aktion hier für Folgen haben wird!«
    Zitternd und mit den Nerven am Ende tat ich, wie er mir geheißen hatte. Zu Hause stürmte gleich Alev auf mich zu. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass ich furchtbar aussehen musste. Langsam machten sich auch die Schmerzen bemerkbar. Ich hatte ja noch einige nicht verheilte Brüche, die sich nun mit aller Vehemenz in Erinnerung brachten.
    Alev hatte einen Waschlappen geholt und angefangen, vorsichtig mein Gesicht damit abzutupfen, als ich durch das Küchenfenster sah, wie Mahmud und Ogün sowie ihr Vater und ihr Onkel geradewegs unseren Hauseingang ansteuerten. Panik machte sich in mir breit. Was würde nun passieren? Was hatten die Männer mit mir vor?
    Mit dem Mut der Verzweiflung stürzte ich zum Telefon und wählte mit zittrigen Fingern die Nummer meiner Mutter.
    Lieber Gott, lass sie sofort rangehen!, betete ich im Stillen.
    Ich hatte Glück: Meine Mutter musste sich direkt neben dem Telefon aufgehalten haben, denn beim zweiten Klingeln war sie bereits am Apparat. In dem Moment hörte ich, wie sich Mahmuds Schlüssel in der Wohnungstür herumdrehte.
    »Mami, ich bin’s, Katja! Wenn ich in einer Stunde nicht vor deiner Haustür stehe, ruf bitte die Polizei an! Denn dann ist mir etwas Schreckliches passiert.«
    Bevor meine Mutter etwas erwidern konnte, hatte ich wieder aufgelegt. Mahmud hatte meinen letzten Satz jedoch noch mitbekommen. Ich rechnete schon mit erneuten Schlägen, aber erstaunlicherweise blieb er ruhig. Gefährlich ruhig.
    »Setz dich!«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    Mit zitternden Beinen nahm ich auf dem Sessel gegenüber dem Sofa Platz, auf dem es sich die drei anderen Männer bereits gemütlich gemacht hatten. Ich hatte das Gefühl, sie freuten sich auf das Schauspiel, das nun unweigerlich folgen würde.
    »Wen hast du angerufen?«, wollte Mahmud wissen.
    »Meine Mutter«, antwortete ich mit einem fast schon aufsässigen Unterton. »Und wenn ich in einer Stunde nicht bei ihr bin, informiert sie die Polizei. Die werden sich dieses Mal sicher nicht so leicht abwimmeln lassen – nach dem, was sie hier alles schon mitbekommen haben!«
    Ich sah, wie sich Mahmuds Augen bei meinem Einschüchterungsversuch vor Zorn verdunkelten. Es schien ihn einiges an Kraft zu kosten, die Beherrschung nicht zu verlieren. Sicherlich wusste er, dass ich im Recht war.
    Plötzlich begannen die anderen Familienmitglieder alle wild

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