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Gefangen

Gefangen

Titel: Gefangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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normalen Schusswaffe funktioniert? Das ist eine Leuchtpistole. Du gibst ein bisschen Brandbeschleuniger rei n – und womm! Das hat sie lang genug abgelenkt, dass du abhauen konntest. Hab alles hier drin.“ Er deutet auf seinen Rucksack.
    Falls er glaubt, ich müsste ihm jetzt dankbar sein, hat er sich geirrt. Langsam sage ich: „Dann war unsere Aktion also nicht nur umsonst, weil du den falschen Ort ausgesucht hast, sondern du hast obendrein einen alten Baum zerstört, nur um mir eine Fluchtmöglichkeit zu verschaffen? Ein schlechtes Geschäft für den Baum, würde ich sagen, und wir sind keinen Schritt weiter. Ich bin hier allein rausgekommen, so wie immer. Ich kann selbst auf mich aufpassen. Du hast überhaupt nichts für mich getan.“
    Ryans Gesicht verfinstert sich. „Ach ja?“, sagt er hämisch. „Wie das?“
    Ich bin einen Augenblick ratlos. Soll ich es ihm erzählen? Es ist neu, dieses Bedürfnis, mich jemandem anzuvertrauen, meine Hand auszustrecken. Obwohl ich nicht wüsste, nach wem ich lieber greifen würde als nach Rya n … Es ist fast, als hätte ihn mein Unterbewusstsein heraufbeschworen, um mich aus meiner Einsamkeit zu erlösen. Dabei müsste ich doch auf Blonde stehen, aber Ryan ist trotzdem mein Traummann. Immer wenn ich ihn ansehe, frage ich mich, ob er wirklich ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.
    Der Boden unter mir wird brüchig, ein gähnender Abgrund tut sich auf. Ich kannte mal einen Man n – seinen Namen habe ich vergesse n –, der es auf den Punkt brachte: Unsere Wahrnehmung sei absolut unzuverlässig, behauptete er. Was hab ich dagegengeredet! Denn für jemanden wie mich wäre das eine Katastrophe. Ich könnte mich gleich ins Irrenhaus einweisen lassen, weil meine Wahrnehmung alles ist, was ich habe. Aber ich schweife ab.
    Misstrauen ist mir zur zweiten Natur geworden. Ich wüsste nicht, wo ich mit dem Vertrauen anfangen soll. Am besten halte ich den Mund. Wo würde das sonst hinführen? Was bringt es mir, mich näher mit Ryan einzulassen, nur um im nächsten Moment wieder an einem anderen Ort aufzuwachen? Liebeskummer und Schmerz/Zerreißen dir wieder das Herz, singt eine böse kleine Stimme in meinem Kopf.
    „Ich wüsste selbst gern, wie ich es allein rausgeschafft habe“, sage ich schließlich. „Ich hab noch keine Erklärung.“ Hoffentlich sieht er mir an, dass ich die Wahrheit sage. Er ist neugierig, keine Frage, aber er bedrängt mich nicht. Ryan ist ein Gentleman und dafür bin ich dankbar.
    „Ich glaub immer noch, dass es mit Laurens Begabung zusammenhäng t – mit ihrer Sopranstimme“, sage ich steif.
    „Darauf bin auch schon gekommen“, erwidert Ryan abfällig. „Ihr Chorkram, das war eine Sackgasse. Ich hab alle ihre Bekannten und Freunde aus Paradise im Auge behalten. Aber die waren ausnahmslos sauber. Blütenreine Weste. Jeder Einzelne.“
    Darauf kann ich nicht viel sagen, also halte ich den Mund. Aber ich glaube nicht, dass er schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat.
    Nach einer Weile seufzt er. „Worüber streiten wir eigentlich?“
    „Nennst du das Streiten?“, sage ich spöttisch, aber er springt nicht darauf an.
    „Willst du immer noch helfen?“, fragt er zögernd.
    Ich zucke die Schultern. „Ja, klar. Wenn du meinst, dass es was nützt.“
    Mit leiser Stimme antwortet er: „Du hast ja keine Ahnung, wie gut es tut, wenn einem zur Abwechslung mal jemand glaubt.“
    Er will noch etwas sagen, überlegt es sich dann offenbar anders und starrt auf den Boden. Fast strecke ich meine Hand aus, um ihn zu berühren, aber ich halte mich zurück. Vorsichtshalber setze ich mich auf beide Hände.
    „Ich bin müd e – kann ich jetzt schlafen gehen?“, frage ich schließlich.
    Dabei will ich, dass er bleibt. Aber im Augenblick kommen wir nicht weiter. Und ich muss was tun.
    „Okay, schlaf“, sagt er mit einem flüchtigen Lächeln. „Du hast es verdient. Morgen testen wir eine andere Spur.“ Leise schließt er die Tür hinter sich.
    Ich lege mich angezogen auf Laurens Bett und drehe mein Gesicht zur Wand. Es gibt niemanden, mit dem ich jetzt reden muss.
    In dieser Nacht sind die hängenden Gärten betörender denn je. Ich rieche Neroli, Jasmin, weiße Magnolien, Orangenblüten, tausend verschiedene Blüten aus aller Welt. Die Blumenpracht ist seine Art, sich für unseren Streit neulich zu entschuldigen. Er tritt aus einer Blütenlaube zu mir, ein Lächeln in den Augen, mit locker herabhängenden Händen: keine Drohgebärde diesmal. Wie ein

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