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Gefangen

Gefangen

Titel: Gefangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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„Seinem“ Willen kinderlos geblieben ist. Die beiden schlafen den Schlaf der Gerechten und einen Augenblick lang beneide ich sie.
    Der einzige Raum, den wir noch nicht durchsucht haben, ist das Schlafzimmer. Wir stehen draußen vor der geschlossenen Tür, verständigen uns mit Blicken, ohne zu wissen, was wir jetzt tun sollen.
    Lohnt sich das überhaupt?, frage ich ihn stumm. Sie kann doch nicht hier drin sein!
    Plötzlich habe ich ein ungutes Gefühl. Da ist was oberfaul. Und ich kann den Gedanken einfach nicht abschütteln, dass Laurens Gesangstalent der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen ist. Was wir hier machen, ist Quatsch. Wir haben uns in eine Sackgasse hineinmanövriert.
    Aber wir müssen uns Gewissheit verschaffen, signalisiert Ryan beschwörend. Du lenkst sie ab und ich durchsuche das Zimmer.
    Ich schüttle ärgerlich den Kopf, schwenke meine leuchtende Hand in der Dunkelheit herum: Du lenkst sie ab und ich durchsuche das Zimmer.
    Ryan hat nicht meinen Kinderkörper, meine Katzenaugen. Ich bin schneller. Rein und wieder raus.
    Wir starren einander an, keiner will nachgeben, dann endlich geht Ryan den Flur entlang und kniet sich hin. Fahles Mondlicht dringt durch die Glasscheibe neben der Haustür. Ryan kramt eine schwarze Skimaske aus seinem Rucksack hervor und zieht sie über. Dann holt er noch etwas heraus, was ich nicht erkennen kann, und lässt es in seine Tasche gleiten. Im nächsten Moment ist er auch schon draußen, den Rucksack über der Schulter. Leise schließt er die Tür hinter sich.
    Mangels eines besseren Plans ducke ich mich rasch hinter die Badezimmertür auf der anderen Flurseite, direkt gegenüber dem Schlafzimmer, und warte darauf, dass Ryan Wunder vollbringt.
    Ich höre die Explosion, bevor ich sie sehe.

Kapitel 9

    Durch den Türspalt beobachte ich, wie die Schlafzimmertür gegenüber auffliegt. Eine Gestalt zeichnet sich in der Tür ab, ihr Mund steht offen, es ist der Mann von den Fotos: mittelalt, apfelförmig, beginnende Glatze, dunkle Borsten auf Beinen und Unterarmen, unauffällig. Aber das will nichts heißen. Psychopathen sehen ja bekanntlich ganz normal aus, wie der nette Typ von nebenan.
    Hastig zieht der Pfarrer einen Bademantel über Unterhemd und Boxershorts, während seine Frau hinter ihm auftaucht. Ihre Augen sind schreckgeweitet, nur das Weiße ist zu sehen.
    „Was ist los?“, fragt sie ängstlich, die Arme schützend um den Körper geschlungen. Beide starren gebannt in den Vorgarten.
    Ich spähe um die Tür herum. Ein merkwürdiger, roter Schein spiegelt sich in den vorderen Fenstern. Feuer. Die Nacht wird von Feuer erhellt. Was in aller Welt hat Ryan angestellt?
    „Wenn ich nicht in fünfzehn Minuten zurück bin“, sagt der Mann, „rufst du die Polizei an und die Feuerwehr. Und bleib auf jeden Fall hier drin, egal, was passiert. Ich komm gleich zurück und hol dich.“ Er hebt etwas Glattes, Schweres auf, das direkt hinter der Schlafzimmertür liegt, und geht zur Vordertür hinaus: Er hat eine Waffe. Die Frau rennt sofort zum Telefon im vorderen Zimmer. Verzweifelt ringt sie die Hände. Daraus schließe ich, dass Ryan höchstens zehn Minuten hat. Hoffentlich weiß er, was er tut. Es ist Zeit, dass ich in die Gänge komme.
    Ich stoße die Badezimmertür weiter auf. Sobald die Frau mir den Rücken zukehrt, schieße ich durch den Flur zu ihrem Schlafzimmer. Ich lasse die Tür leicht angelehnt, damit ich mehr Bewegungsfreiheit habe, ohne entdeckt zu werden. Ein schneller Rundblick bringt nichts Ungewöhnliches zutage, nur zerknülltes Bettzeug, das hastig beiseitegeworfen wurde. Ich hole tief Luft und krieche auf Händen und Knien an den Zimmerwänden entlang, dann unters Bett, und suche nach einer verborgenen Falltür, einem losen Bodenbrett, nach irgendwas, was darauf hindeutet, dass unter oder hinter diesem Zimmer ein Geheimnis ruht.
    Aber meine Suche bleibt ergebnislos: vier Wände, vier Kissen mit Kreuzstichstickerei, Schrank, Ankleidekommode und ein Bett. Ich blicke nach oben. Die Decke ist gleichmäßig weiß. Makellos.
    Ich muss hier raus. Wir haben uns geirrt. Das ist die falsche Spur. Laurens Gesang ist der Dreh- und Angelpunkt. Wieder spüre ich ein unbehagliches Ziehen wie von einem gezerrten Muskel. Will mir Carmen vielleicht etwas mitteilen?
    Inzwischen bin ich wieder an der Tür. Durch den Spalt erhasche ich einen Blick auf die Frau, die gerade das Telefon weglegt. Ich spähe in die andere Richtung, zur Küche hin, da erscheint plötzlich die

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