Gefangen
Meer nach einer Holzplanke greift.
Ryan weicht erschrocken zurück. Immer noch blind, packe ich ihn am Halsausschnitt, mit allem, was von uns beiden noch übrig ist.
„Morgen“, wispere ich, und meine Stimme klingt wie ein Echo aus dem Jenseits, „morgen wird Carmen sich vielleicht nicht erinnern, was passiert ist. Vielleicht nicht mal an dich oder an deine Eltern. Und auch nicht an Jennifer oder Lauren oder an irgendwas, was vor dem heutigen Tag passiert ist. Du musst sie beschützen. Sicher nach Hause bringen. Die Fiktion aufrechterhalten. Mein Geheimnis bewahren. Ihre Zukunft hängt davon ab und ihre Zukunft ist hell!“
„Warum erzählst du mir das?“, fragt Ryan verwirrt, während er sich gegen mich stemmt.
„Weil ich gehe“, murmle ich, „in jemand anders, um jemand anders zu sein. Nicht hier. Nicht mit dir.“
Die Auflösung, die ich spüre, beschleunigt sich, wie Funken, die an einem kalten Morgen gen Himmel fliegen.
„Wie kann ich dich wiederfinden?“, fragt Ryan verzweifelt. Er schüttelt Carmen, schüttelt mich, die sich immer mehr aus ihren Verankerungen löst.
Ich seufze. „Du wirst mich nicht finden. Ich kann überall und nirgends sein. Keine Zeit.“ Ich berühre sein Gesicht mit Carmens kalten Fingern. Küsse ihn einmal, sanft.
„Nein! Mercy!“, schreit Ryan und drückt sie fester an sich, ohne zu wissen, dass ich bereits fort bin. „Mercy!“
Und ich sehe von oben zu, wie Carmens Atem gleichmäßiger wird, wie sie einschläft, und ich falle aus ihrem Leben heraus, in ein andere s …
Autoreninformation
Rebecca Lim wurde in Singapur geboren und wuchs in Australien auf. Sie studierte Jura und Wirtschaft an der Universität von Melbourne, bevor sie Romane für Jugendliche und Erwachsene zu schreiben begann. Rebecca Lim lebt zusammen mit ihrem Mann und drei kleinen Kindern in Melbourne.
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