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Gefangen

Gefangen

Titel: Gefangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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Kapuzenjacke aufs Bett, trete an Laurens Schreibtisch und lasse Carmens Schultasche darauffallen.
    „Die Nacht, in der sie verschwunden ist, war auch so stürmisch“, sagt Ryan fast wehmütig und lehnt sich gegen Laurens Kommode. „Gegen zehn Uhr hatten wir einen ausgewachsenen Orkan auf dem Wasser drauße n – fünfzig Knoten, mindestens. Niemand hätte was hören können. Deshalb will Mum jetzt immer, dass im ganzen Haus Licht brennt, wenn es stürmt. Dad und ich machen das inzwischen ganz automatisch. Anfangs wollten wir es ihr ausreden, aber sie hat uns fast so weit gebracht, dass wir selbst dran glauben.“
    Jetzt endlich begreife ich. „Ihr macht das, damit Lauren im Dunkeln den Heimweg findet“, sage ich leise.
    „So ungefähr.“ Ryan zuckt die Schultern. „Auch wenn es total sinnlos ist . – Und? Was hast du erreicht? Bei mir waren es wieder nur Sackgassen, alle Mühe umsonst.“
    Ich höre mir ungeduldig seinen Bericht von der erfolglosen Suche in der Evangelical Church von Port Marie an, ehe ich ihm triumphierend erzähle, was Spencer mir anvertraut hat. Ryan verziert keine Mien e – er wusste es also schon. Eine Welle der Enttäuschung schwappt in mir hoch, sodass ich mich schnell auf Laurens Bett setzen muss.
    Das hast du jetzt davon, dass du Ryan unbedingt beeindrucken wolltest!, denke ich bitter.
    „Diesen Masson hab ich auch schon abgecheckt“, sagt Ryan stirnrunzelnd. „Ich erinnere mich genau. Er hat eine Frau und zwei kleine Söhne, einer davon lernbehindert oder so. Sie leben draußen bei der ausgebrannten, alten Konservenfabrik im Uferbezirk und ihr Haus ist winzig. Dort steht auch keine Kirche. Ich hab dir ja gesagt, dass ich den ganzen Chor der Paradise High unter die Lupe genommen habe, und die waren alle sauber. Aber klar, wir können uns Masson noch mal vornehmen. „Obwohl es wahrscheinlich Zeitverschwendung ist.“
    „Oh“, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt.
    Ein hartes Klopfen an der Tür lässt uns erschrocken auseinanderfahren, obwohl wir uns nicht mal berührt haben. „Abendessen, Kinder“, sagt Mr s Daley müde, bevor sie wieder rausgeht.
    „Nach dir“, murmelt Ryan nur einen Augenblick später und hält mir die Tür auf. Ist das Enttäuschung in seiner Stimme?

Kapitel 17

    Ryan, Mr s Daley und ich quälen uns mit höflichem, aber ziemlich einsilbigem Small Talk durchs Abendessen, bis Louisa uns entlässt. Wir dürfen ihr nicht beim Abwasch helfen, und als ich hinter Ryan den Raum verlasse, schabt sie verbissen die Essensreste in den Müll, damit wir ihre Tränen nicht sehen. Alles wie gehabt also.
    Die Enttäuschung hat Ryan wieder in sein Schneckenhaus zurückgetrieben. Wir trennen uns wortlos vor Laurens Badezimmer ohne einen neuen Plan für morgen. Das macht mich rastlos und unzufrieden.
    In Laurens Schlafzimmer knipse ich das Licht aus und gehe eine Weile auf dem makellos sauberen Teppich hin und her. Ich bin so aufgekratzt, dass ich unmöglich schlafen kann, und lasse mir noch mal alles durch den Kopf gehen, was ich über Lauren weiß, betrachte es unter jedem erdenklichen Blickwinkel, rolle alle losen Enden von hinten auf, doch auf den Geistesblitz warte ich vergeblich.
    Es ist, als folgten mir Laurens Augen auf den Fotos. Selbst in der Dunkelheit erkenne ich jedes Bild, auf dem sie drauf ist: Schnappschüsse von Übernachtungspartys, Chorfreunde, Brieffreunde, endlose Feten, zu einem einzigen Moment gefroren. Ihr aschblondes Haar scheint zu glühen wie mein eigenes Spiegelbild, als ich zum x-ten Mal an der Spiegelkommode vorbeikomme. Ich habe nur noch eine gute Woche, um etwas in Ryans Leben zu bewirken, bevor ich an Carmens trostlosen Heimatort zurückgekarrt werde oder vielleicht ganz aus ihrem Leben verschwinde und in ein anderes eintauche. Und ich kann mir beides nicht vorstellen: weder das Rätsel um Lauren zu lösen noch Ryan zu verlassen. Unmöglich.
    Vielleicht ist Carmen ja selbst nur ein Lückenbüßer. Eine Art Zwischenstation aus Fleisch und Blut. Ich will das nicht glauben. Ich möchte lieber glauben, dass ich etwas aus diesem Leben mitnehmen soll. Oder eher etwas zurückgebe n – jemand anders, wenn schon nicht mir selbst.
    Ich werfe mich aufs Bett, endlich, obwohl ich schwören könnte, dass ich in dieser Nacht kein Auge zutun werd e – und dann erwache ich Stunden später, gelähmt und nahe am Ersticken.
    Eine hochgewachsene Gestalt steht am Fußende meines Bettes. Ich kann keinen Muskel rühren, kein Wort sagen, keinen Finger

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