Gefangen
Augenlidern, ein Gewicht, das sich an meinen Gliedern entlangwindet. Ich habe mich nie so erdverhaftet gefühlt, so schwer.
„Luc?“, murmle ich. „Warum kann ich dich nicht sehen?“
Ich spüre, wie er eine meiner Hände in seine nimmt, und mein Mund muss bei dieser Berührung lächeln. Ich würde sie überall erkennen. Die Bassnote meiner verkorksten Existenz.
„Schön, dass ich dich wiederhabe“, murmle ich mit bleierner Müdigkeit. „So schö n …“
Sein Griff wird fester, und ich runzle die Stirn, spüre das Aufflackern eines Kontakts. Luc war nie ein offenes Buch für mich. Das war immer ein Teil seiner Anziehungskraft. Was hat sich geändert?
„Sie haben mir gesagt, dass ich dich in Ruhe lassen muss, aber ich konnte nicht warten“, sagt er beschwörend. „Ich hab mich an den Security-Leuten vorbeigeschlichen und an der Nachtschweste r – die bringen mich um, wenn sie mich hier finden. Aber Lauren hat mir eine unglaubliche Geschichte erzählt. Ist das wahr? Wer ist Luc?“ Seine Stimme klingt zugleich neugierig und mürrisch.
Ich ziehe meine Hände zurück, als hätte ich sie mir verbrannt, und das Gefühl, dass sich etwas offenbart, wird abrupt abgewürgt. Die Worte sind mir unverständlich, als wären sie in der falschen Reihenfolge gesprochen worden oder in Altenglisch oder Altfranzösisch.
„Warum kann ich meine Augen nicht aufmachen?“, sage ich und versuche mich aufzusetzen. „Wer bist du?“
Aber ich bin mit einer ganzen Batterie von Schläuchen und Kabeln am Bett fixiert, und das Gefühl, angekettet zu sein, lässt mich wieder schreien und um mich schlagen, bis das elektronische Piepen, das meinen Herzschlag wiedergibt, zu einem gellenden Alarm wird.
„Still“, sagt er. „Ich bin’s doch nur, Mercy, Carmen!“
Eine Tür knallt zu. Eine andere geht auf.
„Alarmstufe eins“, ruft eine Stimme. „Sie stirbt.“
Um mich herum herrscht hektische Betriebsamkeit. Das Geräusch von hastenden Füßen in weichen Schuhen.
„Ich sterbe nicht“, sage ich zornig. „Mit Ihrer Maschine stimmt was nicht.“ Und noch während ich diese Worte sage, wird mein Herzschlag langsamer und langsamer, bis die Maschine ein stetiges, gleichmäßiges Piepen von sich gibt. „Na bitte“, sage ich ruhig, meine Handflächen auf dem Bett nach oben gekehrt.
Ich kann die Augen nicht aufmachen, aber ich weiß, dass der Raum voller Leute ist, die um mich herumstehen. Ich kann ihre Bestürzung spüren, ohne sie zu sehen. Wie lauwarme Luftströme, die sich über meinem Kopf vermischen.
„Hast du Schmerzen, Kindchen?“, fragt eine Frau besorgt und fühlt meinen Puls.
Es fällt mir schwer, meinen Kopf hin und her zu bewegen, aber ich tu’s trotzdem. „Nein, aber ich kann meine Augen nicht aufmachen“, knurre ich.
Die Frau gibt mein Handgelenk frei, und der Schmerz in meiner linken Hand lässt nach, der Druck hinter meinen Augen verebbt, bevor ich ihre Gedanken lesen kann.
Jemand lacht leise. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir dir so viel Midazolam gegeben habe n – genug, um ein Pferd umzuhauen. Ich begreife nicht, warum sie überhaupt noch wach ist und ganze Sätze bilden kann, Doris. Das war noch nie da.“
„Na ja, sie ist eben zäh“, sagt ein anderer Mann barsch. „Dann gebt ihr doch ein bisschen mehr. Sie muss schlafen. Sie hat vier Stunden Polizeiverhör hinter sich und für morgen Vormittag haben sie eine Pressekonferenz anberaumt. Und wechselt das EKG aus! Das Gerät muss kaputt sein. Eine Herzfrequenz wie die vorhin ist absolut unmöglich. Seht sie euch doch an!“
Die Elektroden werden schnell abgeklemmt, dann wird das Gerät weggerollt und ein anderes angeschlossen. Das gleichmäßige Piepen setzt wieder ein.
„Seht ihr?“, sagt eine neue Stimme triumphierend.
Ich spüre einen leichten Stich in meinem Arm. An der Veränderung der Luftströme kann ich ablesen, dass mehrere Leute den Raum verlassen haben.
„Ruh dich jetzt aus“, sagt eine Frau sanft und schließt die Tür hinter sich.
Nach ein paar Minuten geht die Tür wieder auf.
„Reg mich ja nicht auf“, krächze ich rau.
„Ich wollte dir keine Angst machen“, flüstert Ryan, und es ist wirklich Ryan, das merke ich jetzt. Seine Hand sucht wieder meine auf der Bettdecke, unsere Finger schlingen sich ineinander. „Aber ich musste es mit eigenen Ohren hören, von dir.“
Die Berührung vermittelt mir undeutlich einen Tumult von Gefühlen und Farben. Anders diesmal, nicht brennend, sondern sanft wie das
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