Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
Samtsofa. »Setz dich.« Sie reichte ihr ein Papiertaschentuch.
»Es geht also um Highgate, ja? Der ermordete Journalist war dein Vater.«
»Sie wissen davon?«
»Ich bitte dich. Die Hälfte meiner Kunden verbringt ihr Leben damit, auf Friedhöfen herumzulaufen. Seit Monaten gibt es kein anderes Thema mehr. Es tut mir sehr leid, dass du deinen Vater verloren hast«, fügte sie leise hinzu. »Es war bestimmt nicht einfach für dich.«
April schüttelte den Kopf. Sie zögerte einen Moment, doch aus irgendeinem Grund war sie überzeugt, dass Jessica sie verstehen würde.
»Es ist fast, als wäre er gar nicht tot, verstehen Sie? Sondern so, als würde er nur im Zimmer nebenan sitzen. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich es mir so sehr wünsche, aber für mich fühlt es sich an, als wäre er immer noch da.«
Jessica legte mitfühlend den Kopf schief. »Dieses Gefühl kenne ich. Die Liebe ist etwas sehr Mächtiges. Manchmal scheint es, als wären die Toten immer noch bei uns. Das kann sich sehr, sehr real anfühlen. Und manchmal ist es vielleicht auch so.«
»Wie meinen Sie das?«
Jessica lächelte. »In den meisten Religionen existiert in irgendeiner Form der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Ich denke, das liegt daran, dass die Leidensfähigkeit der menschlichen Seele viel, viel größer ist, als wir annehmen. Vielleicht haben die Dichter und die Swamis ja wirklich recht, und wir leben tatsächlich nach dem Tod weiter.«
April wusste nicht recht, was sie von Jessica halten sollte, doch die Art, wie sie mit ihr redete und die Dinge ausdrückte, gefiel ihr. Sie hatte etwas Beruhigendes an sich. Aber vielleicht redeten ja alle Leute, die in diesen Laden kamen, so wie sie.
»Also, was ist mit den Vampiren?«, fragte Jessica.
»Klingt das in Ihren Ohren denn nicht völlig durchgeknallt? Dass jemand hereinspaziert und behauptet, seine Schule werde von einer Horde Vampire heimgesucht?«
»Du glaubst jedenfalls nicht an übersinnliche Phänomene, so viel steht fest. Wenn jemand wie du hierherkommt und mir erzählt, dass es in seiner Umgebung von Vampiren nur so wimmelt, nehme ich das durchaus ernst. Du machst nicht den Eindruck, als würdest du zu Hysterie neigen. Und dein Freund schwebt in großer Gefahr, sagst du? So wie es bei deinem Vater der Fall war?«
»Nein. Doch … irgendwie schon. Ich glaube, es gibt da einen Zusammenhang. Eines weiß ich sicher – das Buch ist das Einzige, wodurch ich ihn retten kann.«
Jessica musterte April einen Moment lang schweigend. »Er muss ein sehr besonderer Junge sein.«
»Das ist er«, bestätigte April und blickte zu Boden.
»Dann sollte ich wohl eine Möglichkeit finden, euch zu helfen, oder?« Sie trat zu ihrem Schreibtisch, schloss ihn auf und hielt eine rechteckige Karte in die Höhe.
»Die wird dir helfen, Zugang zu dem Ort zu bekommen, den du aufsuchen musst.«
»Was ist das?«
»Ein Bibliotheksausweis. Für die beste Bibliothek der Welt. Du wirst schon sehen, was ich meine.« Sie notierte einen Namen und eine Adresse und reichte April den Zettel.
»Im Victoria & Albert Museum?«
Jessica nickte. »Nach Alberts Tod entwickelte Queen Victoria ein besonders ausgeprägtes Interesse an allem, was mit Okkultismus zu tun hatte. In diesem Museum befindet sich ihre Bibliothek, und mit diesem Ausweis darfst du sie betreten. Frag nach der Spezialsammlung. Dort solltest du alles finden, was du brauchst.«
»Danke. Vielen, vielen Dank.« April betrachtete die Karte. »Aber … sind Sie sicher? Sie kennen mich doch gar nicht. Weshalb sollten Sie mir vertrauen?«
Jessica lächelte. »Wenn man so lange hier ist wie ich, hat man ein Gespür dafür, wem man vertrauen kann und wem nicht.« Das Lächeln verblasste. »Aber dir muss klar sein, dass du das Ganze nicht auf die leichte Schulter nehmen darfst. Die Sache ist ernst. Todernst sogar. Wenn dieses Buch existiert und die Informationen enthält, nach denen du suchst, solltest du mit niemandem darüber reden, hast du mich verstanden?«
April nickte. »Natürlich. Ich will nur den Drach…«
Jessica hob die Hand. »Ich will es gar nicht wissen. Das Ganze ist allein deine Angelegenheit. Und dein Risiko.«
April sah sie an. »Risiko?«
»Wenn das, was du mir erzählt hast, wirklich stimmt und die Informationen für dich über Leben und Tod entscheiden, ist es mehr als wahrscheinlich, dass alle anderen es genauso sehen.«
»Aber wenn das Buch tatsächlich in dieser Bibliothek steht, wieso sind die Vampire dann nicht
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