Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
wissen, was mit Isabelle war. Du willst die Wahrheit wissen? Ich habe sie umgebracht.«
Aprils Magen krampfte sich zusammen. »Du hast sie getötet?«
Gabriel ließ den Kopf hängen. »Ich musste tatenlos zusehen, wie sie starb. Sie war schwer verwundet, als ich sie fand. Sie weinte, flehte um ihr Leben. Ich wusste, dass sie in Lebensgefahr schwebte, dass da draußen etwas lauerte, das nur darauf wartete, ihr den Todesstoß zu versetzen. Und ich wollte …«
»Du wolltest was?«
»Ich wollte sie selbst töten!«, schrie Gabriel mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Ich wollte ihr Blut trinken, sie in Stücke reißen. Mit jeder Faser meines Körpers habe ich mich danach verzehrt, wieder zum Tier zu werden, mich der Dunkelheit zu unterwerfen. Ich musste mit aller Macht dagegen ankämpfen.«
»Aber mich hast du gerettet und in Sicherheit gebracht.«
Er nickte traurig.
»Ja, ich konnte nicht zulassen, dass du der Bestie auch zum Opfer fällst, wer oder was auch immer sie sein mochte. Trotzdem hätte ich Isabelle retten müssen.«
April schlang ihm die Arme um den Hals. »Du kannst nicht die ganze Welt retten, Gabriel. Aber du kannst dich zur Wehr setzen und dem Bösen widerstehen – dass du mich gerettet hast, war der beste Beweis dafür. Und jetzt musst du weiterkämpfen. Du darfst nicht aufgeben. Du musst stark sein, mir zuliebe. Du darfst nicht sterben, Gabriel …«
Schluchzend ließ sie den Kopf an seine Schulter sinken. »Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren. Der Tod meines Vaters war schlimm genug, aber wenn du sterben würdest, was bliebe mir dann noch? Bitte verlass mich nicht.«
Gabriel schloss sie in die Arme und hielt sie fest.
»Ist ja schon gut«, flüsterte er sanft. »Ich tue es für dich, meine Geliebte. Nur für dich.«
Elftes Kapitel
A pril konnte kaum glauben, dass ihr die Buchhandlung bisher nie aufgefallen war. Dabei war sie doch eigentlich nicht zu übersehen. Schließlich stand die Redfearne’s Buchhandlung in scharfem Kontrast zu den Sandwichbars, schicken Boutiquen und sonstigen Läden, die sich in dieser bei den Touristen beliebten Ecke von Covent Garden aneinanderreihten. Sie war wie ein einsamer Schössling inmitten eines Beets blühender Blumen. Wenn man wusste, dass sie da war, blieb der Blick unweigerlich an ihr hängen, wenn nicht, übersah man sie leicht.
Das Haus hatte eine dunkle Steinfassade, eine dunkelviolett gestrichene Eingangstür und ein mit Büchern, Kerzen, Tarotkarten sowie allerlei Utensilien zur Geisterbeschwörung und dergleichen vollgestopftes Schaufenster. Nach allem, was Gabriel ihr erzählt hatte, war ihr nicht ganz wohl bei der Suche nach dem Liber Albus. Außerdem hatte sie sich in kleinen Läden wie diesem schon immer unbehaglich gefühlt, weil man nirgendwo abtauchen konnte, wenn die Verkäuferin vor einem stand und »Kann ich Ihnen helfen?« oder »Suchen Sie etwas Bestimmtes?« fragte.
Was sollte sie darauf sagen? Etwa: »Ich suche nach einem Buch mit hochwirksamen Zaubersprüchen, das vielleicht nur eine Legende ist«? Andererseits kamen wahrscheinlich jeden Tag Leute mit derart ausgefallenen Wünschen hierher.
Sie holte tief Luft. Jetzt oder nie. Willst du Gabriel nun retten oder nicht? , dachte sie und zögerte einen Moment lang. Sie hatte nie wirklich verstanden, durch welche Hölle Gabriel ging, bevor er ihr von Isabelle erzählt hatte. Gabe hatte nur einen einzigen Wunsch – wieder menschlich zu sein, ein ganz normales Leben zu führen, zu heiraten und eine Familie zu gründen; all die banalen Dinge, die für den Rest der Welt so normal waren. Stattdessen war er die vergangenen hundert Jahre gefangen gewesen und hatte schreckliche Dinge mit ansehen und tun müssen. Er war von Gewissensbissen zerfressen und kämpfte jeden Tag aufs Neue gegen diesen übermächtigen inneren Drang an – und dann erschien plötzlich April auf der Bildfläche und versuchte, ihn in dieses abscheuliche Gefängnis zurückzujagen. Vielleicht wäre es das Beste, ihn einfach in Frieden zu lassen. Aber das konnte sie nicht. Nicht, solange es noch Hoffnung gab. Okay, er würde wieder zum Vampir werden, aber wenn sie den Regenten erst gefunden hatten und … immer schön eins nach dem anderen , ermahnte sie sich. Eins nach dem anderen.
Helle Glöckchen ertönten, als sie die lackierte Holztür öffnete. Glöckchen. Was auch sonst? , dachte sie.
Sie trat in einen niedrigen Raum mit einem samtbezogenen Sofa in der Mitte, ansonsten sah es in dem Laden
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