Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
hat Layla doch vermutet, oder nicht? Darum ging es bei dem Streit zwischen euch beiden, wenn ich richtig informiert bin. Eure Freundinnen haben es mir erzählt. ›Lass die Finger von meinem Freund‹, hat sie gesagt. Aber das hast du nicht getan, stimmt’s?«
Tame trat um den Schreibtisch herum und setzte sich auf die Kante, direkt vor Aprils Nase.
»Hast du ihn geküsst, April?«
»Nein!« Abrupt schob April ihren Stuhl zurück, sodass die Holzbeine laut über den Fußboden scharrten. »Das habe ich nicht getan. Layla war paranoid.«
»Tatsächlich?« Der Anflug eines Lächelns spielte um seine Mundwinkel. »Sagst du mir auch die Wahrheit?«
»Ja, das tue ich.« April rutschte so weit auf ihrem Stuhl zurück, wie sie nur konnte. Es war unheimlich, diesen Mann so dicht auf der Pelle zu haben.
»Mmm … ich frage mich …«, fuhr Tame fort, stand auf und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Er hielt inne, setzte sich wieder hin und begann, sich Notizen zu machen. April sah ihm einen Moment lang zu, ehe er den Kopf hob. »Oh, du kannst wieder gehen«, sagte er und hob seine bleiche Hand zu einer wegwerfenden Geste. Verwirrt und völlig durchein-ander stand April auf und ging zur Tür.
»Eines noch«, sagte er, als sie die Hand um den Türknauf legte. »Wer, glaubte Layla, war hinter ihr her?«
»Wie bitte?«, stammelte April.
»Tu nicht so schockiert. Dein Freund Reece hat es in seinen Bericht geschrieben.« Tame beugte sich vor und zog ein Blatt Papier zu sich heran. »›Sie sagte, sie seien hinter ihr her‹, steht hier schwarz auf weiß. Wer sind ›sie‹?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich glaube, dass du es sehr wohl weißt, April. Ich bin mir sogar ziemlich sicher.«
Wieder wedelte er mit der Hand, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen.
»Wir sprechen uns noch.«
Mr Sheldon fing sie vor seinem Büro ab.
»Und wie ist eure kleine Unterhaltung gelaufen?«
April starrte ihn finster an.
»Kann ich jetzt bitte wieder zurück in den Unterricht?« Aprils Bedarf an Fragen war vorläufig gedeckt.
»Nein, April, kannst du nicht.« Mr Sheldon packte sie am Arm und schob sie in ein leeres Klassenzimmer. »Ich muss nämlich mit dir reden.«
April setzte sich auf einen Stuhl und kreuzte die Arme vor der Brust.
»April, ich weiß ja, wie schwer das alles ist, aber wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Es sind schon zu viele unschöne Dinge passiert.«
»Unschöne Dinge? So bezeichnen Sie das also?«
Für einen Augenblick schien Mr Sheldon drauf und dran zu sein, sie anzuschreien, doch dann besann er sich offenbar eines Besseren.
»Tut mir leid, April«, sagte er. »Das Ganze muss sehr schwer für dich sein. Seit du nach Ravenwood gekommen bist, ist dein Leben völlig auf den Kopf gestellt worden, und du hast mein vollstes Mitgefühl. Wirklich. Aber du musst auch verstehen, dass ich für alle unsere Schüler die Verantwortung trage.«
Er warf einen Blick in Richtung seines Büros und senkte die Stimme.
»Ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich bin nicht überzeugt davon, dass die Polizei dieser Sache wirklich gewachsen ist. Es ist eine gewaltige Belastung, wenn man die Verantwortung für Hunderte junger Menschen trägt.«
April nickte. Was er sagte, klang durchaus einleuchtend, trotzdem vermutete sie, dass seine Sorge eher seiner eigenen Haut als den Schülern von Ravenwood galt.
»Also darf ich dir ein paar Fragen stellen?« Ein dünnes Lächeln erschien auf seinen Zügen.
»Nur wenn Sie mir vorher auch eine beantworten. Was wollen Sie von meiner Mutter?«
Sheldon stieß ein bellendes Lachen aus.
»Das bereitet dir Kopfzerbrechen? Gütiger Himmel, April, deine Mutter trauert immer noch um deinen Vater.«
»Wer’s glaubt.«
»Jeder geht auf seine Weise mit seiner Trauer um, April. Deine Mutter ist eine hochanständige Frau, die nur dein Bestes will.«
In diesem Augenblick klopfte es leise an der Tür, und Mrs Bagley streckte den Kopf herein.
»Tut mir leid, Sir«, sagte sie und hielt ein Handy in die Höhe, »aber es ist wichtig.«
»Ich bin mitten in einer Besprechung, Mrs Bagley«, erklärte er.
Sie verzog das Gesicht. »Es ist der Herr Vorsitzende«, sagte sie und riss die Augen auf.
Mr Sheldon sah erst April an, dann das Telefon. »Gut. Wir reden später weiter, okay?«
Er nahm das Telefon entgegen und zog sich in eine Ecke des Klassenzimmers zurück.
»Ja, bitte entschuldigen Sie …«, hörte April ihn sagen, während Mrs Bagley sie aus dem Zimmer bugsierte. »Ich weiß,
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