Gefangene der Dunkelheit
Ich hatte ihn aufmerksam im Auge behalten, seit unsere Scheinwerfer die schwachen silbrigen Schimmer erfasst hatten, weil ich neugierig war, wie sich die Zauber auf ihn auswirkten.
Er blieb gänzlich ungerührt.
»Fühlen Sie sie überhaupt nicht?«, fragte ich ungehalten.
»Ich weiÃ, dass sie da sind.« Eine typische nichtssagende Barrons-Antwort.
»Schützen Sie Ihre Tattoos?«
»Vor einigen Dingen, vor anderen nicht.« Wieder so eine nichtssagende Aussage.
Wir stiegen aus und gingen über den fast überwachsenen Steinpfad zur Eingangstür des Cottages. Es war grün und mit vielen Symbolen bemalt. Das missgestaltete Kleeblatt war unverkennbar. Nana OâReilly kannte unseren Orden. Woher?
Kat öffnete die Tür, nachdem ich angeklopft hatte. Sie war schon vor uns angekommen, weil sie hoffte, uns allen den Weg mit Tee, frischem Wasser und kistenweise Vorräten aus der Stadt ebnen zu können.
Ich spähte ins Haus. Kerzen brannten, und ein Feuer knisterte im Kamin.
»Ich öffne meine Tür selbst. Noch bin ich nicht tot!« Nana OâReilly drängte Kat beiseite. Das graue Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten, der auf ihrer Schulter lag. Ihr Gesicht war nach fast hundert Jahren an der Küste so faltig wie das eines alten Schiffskapitäns, und ihr fehlten alle Zähne. Sie bedachte Barrons mit einem wässrigen Blick und sagte: »Solche Kerle wie Sie haben hier keinen Zutritt.«
Damit zerrte sie mich ins Haus und schlug Barrons die Tür vor der Nase zu.
»Was sind das für Kerle?«, fragte ich, sobald die Tür zu war.
Nanas Blick verriet mir, dass ich zu dämlich war, um zu leben.
Kat half der alten Frau in einen Sessel am Kamin und legte ihr einen ausgebleichten Quilt mit vielen verschiedenen Mustern und Stoffstücken über die Schultern. Die Decke sah aus, als wäre sie vor Jahrzehnten aus zerschnittener Kleidung, aus der die Kinder herausgewachsen waren, gefertigt worden. »Ich möchte das auch wissen«, sagte Kat. »Was für ein Kerl ist er?«
»Seid ihr blöd, Mädchen? Er ist offensichtlich keiner von uns.«
»Das haben wir verstanden, aber was ist er?«, wollte ich wissen.
Nana zuckte mit den Schultern. »Was schert uns das? Es gibt weià und nicht weiÃ. Was braucht ihr sonst noch zu wissen?«
»Aber ich bin weië, betonte ich rasch. Kat sah mich merkwürdig an. »Ich meine â Sie können sehen, dass Kat und ich wie Sie sind, oder? Wir sind nicht wie er.« Wenn sie Menschen nach ihrer wahren Natur unterscheiden kann, dann wollte ich wissen, in welche Kategorie ich gehörte.
Der Blick aus ihren feuchten braunen Augen richtete sich auf mich und blieb haften wie ein schleimiger Blutegel. »Diese Haarfarbe ⦠Wie ist die echte?«
»Ich bin eigentlich blond.«
Sie schloss die Augen und rührte sich nicht. Ich fürchtete schon, sie wäre eingeschlafen.
Plötzlich riss sie die Augen wieder auf, und ihr zahnloser Mund formte ein O, als wollte sie Erstaunen ausdrücken. »Heilige Mutter Gottes«, hauchte sie. »Ich vergesse nie ein Gesicht. Du bist Islas Git. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich noch einmal zu sehen bekomme, bevor ich sterbe.«
»Git?«, wiederholte ich.
Kat war verwundert. »Tochter«, erklärte sie.
Der Name meiner Mutter war Isla OâConnor.
Ich sah ihr unheimlich ähnlich, behauptete Nana â die Gesichtsform, mein dichtes Haar, meine Augen,aber vor allem meine Haltung. Die Schultern, die Bewegungen, sogar der Winkel, wenn ich meinen Kopf zur Seite neigte.
Ich sah aus wie meine Mutter.
Meine Mutter hieà Isla OâConnor.
Diese beiden Gedanken hätte ich immer und immer wiederholen können â stundenlang.
»Sind Sie sicher?« Ich hatte einen Kloà im Hals und konnte kaum schlucken.
Sie nickte. »Meine Kayleigh und sie haben ganz, ganz oft zusammen in unserem Garten gespielt. Wären deine Locken blond, Mädchen, hätte ich dich glatt für sie gehalten.«
»Erzählen Sie mir von ihr.«
Nanas Augen wurden schmal. »Sie hatte immer etwas bei sich.« Ihr Blick wurde trüb. »Aber später ging es verloren. WeiÃt du, was das war?«
»Etwas von den Seelie?«
Nana nickte, und meine Augen wurden groÃ. Langsam schob ich die Hand unter die Jacke und beförderte den Speer zutage. »Meine Mutter hat dies bei
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