Gefangene der Dunkelheit

Gefühl gaben.
    Aber ein solches Geständnis würde ich nur ablegen, wenn ich imstande wäre zu sprechen. Doch das bin ich nicht. Ich schäme mich. Ich schäme mich so sehr!
    Wer bist du, zum Teufel? Jemand hat mir diese Fragevor kurzem entgegengeschleudert – der Name der Person ist mir entfallen. Es war jemand, der mir Angst machte. Mich erregte.
    Das Leben ist überhaupt nicht chronologisch.
    Die Geschehnisse blitzen auf. So schnell, dass man die Schrecken nicht erkennt, ehe sie einen übermannen. Eine tote Schwester. Eine Hinterlassenschaft von Lügen. Das ungewollte Erbe einer uralten Blutlinie. Eine unmögliche Aufgabe. Ein Buch, das eigentlich eine Bestie, die ultimative Gewalt ist; wer immer es als Erster in die Hände bekommt, bestimmt das Schicksal dieser Welt. Vielleicht aller Welten.
    Dämliche Sidhe -Seherin. Du warst dir zu sicher, dass sich alles in die richtige Richtung entwickelt.
    Hier und jetzt – auf dem kalten Steinboden der Kirche, splitterfasernackt, verloren und umringt von Tod-durch-Sex-Feen – fühle ich, wie meine mächtigste Waffe, die ich niemals wieder aufgeben wollte – die Hoffnung –, entschwindet. Mein Speer ist längst weg. Mein Wille …
    Wille? Was ist das? Kenne ich dieses Wort? Habe ich es je gekannt?
    Er. Ja, er ist hier. Der eine, der Alina getötet hat. Bitte, bitte, bitte lass nicht zu, dass er mich anfasst.
    Oder berührt er mich schon? Ist er der Vierte? Warum tarnt er sich?
    Wenn die Mauern einstürzen, ist die einzige Frage, die zählt: Wer bist du?
    Ich rieche nach Sex und dem berauschend würzigen Geruch, den sie ausdünsten. Ich habe jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren. Sie sind in mir, und ich kann sie nicht vertreiben. Ich war eine Närrin, als ich glaubte, dass ein Ritter in schimmernder Rüstung aufeinem weißen Hengst angaloppieren oder auf einer blitzenden, unheimlich leise schnurrenden Harley herkommen würde, um mich zu retten, wenn meine Welt in Trümmer geht. Oder dass ein anderer, herbeigerufen durch einen Namen, der in meine Zunge gebettet ist, wie die goldene Erlösung vor mir auftauchen würde. Womit bin ich aufgewachsen – mit Märchen?
    Nicht mit Märchen dieser Art. Aber dies sind die Geschichten, die wir unseren Töchtern eintrichtern sollten. Vor ein paar tausend Jahren taten wir das auch. Aber wir sind nachlässig und selbstzufrieden geworden, und da sich die Altehrwürdigen still verhielten, ließen wir die alte Lebensweise dem Vergessen anheimfallen. Wir erfreuten uns der modernen Technologien und vergaßen die wichtigste Frage von allen.
    Wer, zum Teufel, bist du?
    Hier auf dem Steinboden, in meinen letzten Zügen – MacKayla Lanes Schwanengesang –, erkenne ich, dass die Antwort immer da gewesen ist.
    Ich bin niemand.

EINS
    Dani: 1 . November, 14  Uhr 58

    Hey, ich bin’s – Dani. Ab hier übernehme ich für eine Weile. Eine verdammt gute Sache, denn Mac ist in ernsthaften Schwierigkeiten. Uns allen ergeht es so. In der vergangenen Nacht ist alles anders geworden. Weltuntergangsstimmung. Mhm – so schlimm ist es wirklich. Die Welt der Feenwesen und die der Menschen sind mit dem lautesten Knall seit der Schöpfung des Universums aufeinandergeprallt, und jetzt herrscht totales Chaos.
    Die beschissenen Schatten wurden in der verdammten Abtei freigelassen. Ro ist an die Decke gegangen und kreischte, dass Mac uns verraten hätte. Sie befahl uns, Mac zu jagen. Sie tot oder lebendig in die Abtei zu bringen und außer Gefecht zu setzen, wie Ro es ausdrückte. Wir sollen Mac von allen Feinden fernhalten, weil sie eine zu mächtige Waffe ist, die man gegen uns wenden könne. Sie ist die Einzige, die das Sinsar Dubh aufspüren kann. Wir können keinesfalls zulassen, dass es in die falschen Hände fällt, und Ro sagt, alle Hände bis auf ihre eigenen seien falsch.
    Ich weiß Dinge über Mac. Sie würde mich töten, wenn sie wüsste, dass ich über so manches im Bilde bin. Gut, dass sie keine Ahnung hat. Ich möchte niemals gegen Mac kämpfen.
    Aber ich bin hier und suche sie.
    Ich glaube nicht, dass sie den Orb of D’Jai mit Schatten verseucht hat. Die meisten anderen denken das. Sie kennen Mac nicht so gut wie ich. Wir, Mac und ich, sind wie Schwestern. Auf keinen Fall hat sie uns hintergangen.
    Siebenhundertdreizehn von uns haben gestern vor