Gefangene der Dunkelheit
fünf Uhr abends in der Abtei gelebt. Bei der letzten Zählung waren nur noch fünfhundertzweiundzwanzig Sidhe-Seherinnen übrig. Wir sind wieder in Dublin, jagen Mac und treten jedem Feenwesen, das uns über den Weg läuft, in den Arsch.
Bisher war keine Spur von ihr zu sehen. Aber wir bewegen uns in die richtige Richtung. Es gibt ein Epizentrum der Macht in der Innenstadt; der widerliche Gestank nach Feenwesen ist so giftig wie der Niederschlag nach einer Atomexplosion. Wir alle fühlen, riechen und schmecken es. Praktisch sehen wir die pilzförmige Wolke, die in der Luft hängt. Wir sprechen nicht. Das ist gar nicht nötig. Falls sich Mac überhaupt noch in Dublin aufhält, dann ist sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in besagtem Epizentrum. Keine Sidhe -Seherin kann der massiven Anziehungskraft widerstehen. Ich hoffe, Mac macht ihnen mit ihrem Speer die Hölle heiÃ. Wir werden Rücken an Rücken kämpfen, wie wir es vor ein paar Nächten getan haben.
Aber ich habe dieses flaue Gefühl in der Magengrube â¦
Verdammt! Mir ist nicht schlecht. Mir ist nie übel. Ãbelkeit ist etwas für Nieten und kleine Kinder.
Mac kann auf sich selbst aufpassen. Sie ist die Stärkste von uns allen.
»Mit Ausnahme von mir«, murmele ich mit einem selbstgefälligen Grinsen.
»Was?«, fragt Jo hinter mir.
Ich erspare mir die Mühe, ihr zu antworten. Sie halten mich ohnehin schon für groÃspurig genug. Ich habe Gründe, groÃspurig aufzutreten. Ja â so gut bin ich.
Fünfhundertzweiundzwanzig Sidhe-Seherinnen rücken an. Wir kämpfen wie Dämonen und richten ernsthaften Schaden an, aber wir haben nur eine einzige Waffe, die Feenwesen töten kann â das Schwert des Lichts.
»Und es gehört mir.« Wieder grinse ich â ich kann nicht anders. Verdammt noch mal, es fühlt sich cool an, ein Superheld zu sein. Superschnell, superstark zu sein und noch ein paar zusätzliche Super-Eigenschaften zu haben, für die Batman sein ganzes Spielzeug eintauschen würde. Ich habe Fertigkeiten, die sich alle anderen wünschen. Hinter mir fragt Jo noch einmal: »Was?« Aber ich schmunzle nicht mehr. Ich bin wieder auf der Pirsch und stocksauer. Vierzehn â na ja, fast vierzehn Jahre alt zu sein ist echt ätzend. In der einen Minute fühlt man sich himmelhoch jauchzend, in der anderen ist man auf alles und jeden böse. Jo meint, das seien die Hormone. Sie sagt, dass es im Laufe der Zeit besser wird. Aber wenn das heiÃt, dass ich erwachsen werde ⦠nein, vielen Dank. Verleiht mir jeden Tag ein wenig Glanz und Ruhm. Wer möchte schon alt und runzlig werden?
Hätten die Unseelie letzte Nacht nicht die Stromversorgung ausgeschaltet und die ganze Stadt in eine Dunkle Zone verwandelt, hätte ich mich schon früher auf die Suche nach Mac gemacht, aber Kat sorgte dafür, dass wir uns wie Feiglinge bis zum Morgengrauen versteckten.
Menschenskind, ich bin superschnell, widersprach ich.
GroÃartig , sagte sie, und wir sollen zusehen, wie dublitzschnell direkt in einen Schatten rennst und stirbst ? Schlau, Dani. Sehr schlau.
Mich wurmte es, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Wenn ich mich superschnell bewege, kann ich tatsächlich kaum erkennen, was auf mich zukommt. Und in einer Stadt ohne elektrische Beleuchtung wird niemand bezweifeln, dass sich die Schatten breitmachen, sobald die Nacht hereinbricht.
Wer hat dich zur Anführerin gemacht?, sagte ich; doch es war eine rein rhetorische Frage, das wussten wir beide. Sie kehrte mir den Rücken zu und ging. Ro hat ihr die Verantwortung übertragen. Immerzu macht Ro sie zur Anführerin, obwohl ich besser, schneller, klüger bin. Kat ist gehorsam, pflichtbewusst und vorsichtig. Sie kotzt mich gewaltig an.
Verbeulte und ausgebrannte Autos, wohin man schaut. Ich hätte mit mehr Leichen gerechnet. Schatten fressen kein totes Fleisch. Ich nehme an, andere Unseelie tun es. Die Stadt ist unheimlich still.
»Langsamer, Dani!«, schreit mich Kat an. »Du wirst immer schneller. Du weiÃt, dass wir nicht mit dir Schritt halten können!«
»Entschuldigung«, brumme ich und verlangsame meine Schritte. Bei dem, was ich vor uns vermute, und mit diesem unguten Gefühl im Magen â¦
»Mir ist nicht schlecht.« Zähneknirschen begleitet diese Lüge. Zum Teufel, wem will ich etwas vormachen?
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