Gefangene der Flammen
Aufmerksamkeit wieder den verbliebenen Fledermäusen zuzuwenden. Zum Glück wichen sie vor dem Licht und dem Gestank ihrer verbrannten Gefährten zurück. Rileys Magen entkrampfte sich ein wenig, als sie den Baumstamm und die Äste über ihrer Mutter inspizierte. Auch die Insekten verzogen sich.
»Ich hätte Ihnen helfen sollen«, sagte Dr. Henry Patton. »Ich weiß nicht, warum ich es nicht tat.«
Seine beiden Studenten, die ihm etwas langsamer gefolgt waren, sahen genauso benommen und verwirrt aus wie ihr Professor.
Riley verkniff sich eine wütende Erwiderung. Nichts von alldem war die Schuld des Archäologen. Es war möglich, dass er sich mit halluzinogenen Pflanzen auskannte und sie anzuwenden verstand, doch was sollten seine Motive sein? Welche Beweggründe könnte überhaupt jemand von ihnen haben?
Müde fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar. In den letzten vier Nächten, seit sie den Regenwald betreten hatten, hatte sie nicht mehr zu schlafen gewagt. Nicht, seit dieses fürchterliche Gewisper begonnen hatte. Das fortwährende Brummen im Kopf konnte jeden vernünftigen Menschen in den Wahnsinn treiben, und offenbar war sie die noch am wenigsten Betroffene ihrer Gruppe.
Die drei Führer und der Rest der Träger umringten Raul in dem Versuch, ihn zu bändigen. Er sang noch immer in dieser kehligen fremden Sprache, manchmal leise, manchmal laut, und versuchte nach wie vor, auf Annabels Hängematte zuzugehen. Seine Verwandten waren schließlich gezwungen, ihn an einen der Bäume zu fesseln, um zu verhindern, dass er Annabel erneut angriff. Seine rechte Hand war zur Faust geballt, als umklammerte er noch immer die Machete, und er schwang den Arm durch die Luft wie in einer bizarren Pantomime.
»Was singt Raul da?«, fragte Riley Jubal, als die Aufregung sich legte und alle zu ihren Hängematten zurückkehrten. Sie nickte zu dem an den Baum gefesselten Träger hinüber und beobachtete Garys Gesichtsausdruck. »Ich kann sehen, dass ihr beide die Sprache kennt.« Diesmal schaute sie Jubal direkt in die Augen. »Streite es nicht ab! Ich sehe die Blicke, die ihr beide wechselt, und bin mir völlig sicher, dass ihr wisst, was der Mann sagt.«
Jubal und Gary blickten sich fast gleichzeitig nach Ben Charger um. Es war offensichtlich, dass sie nicht vor ihm reden wollten.
»Lass mich dir helfen, die Fledermäuse wegzuschaffen!«, sagte Gary.
Riley nickte und begann, die toten und sterbenden Tiere um ihre Mutter herum wegzufegen. Es war eine scheußliche, ekelerregende Arbeit. Sowohl Jubal als auch Gary schlossen sich ihr an, was gut war, weil sie ihnen sonst zu ihren Schlafplätzen gefolgt wäre, um eine Erklärung zu verlangen.
Ben half ihnen ein paar Minuten und trat die verbrannten Kadaver von Annabels Hängematte weg, doch als Gary im Unterholz zu graben begann, um die Tiere in einem Massengrab verschwinden zu lassen, hatte der Ingenieur genug.
»Ich glaube nicht, dass ihr mich heute Nacht noch brauchen werdet. Die Lage scheint sich zu beruhigen.«
Erst da bemerkte Riley, dass das grauenhafte Summen in ihrem Kopf verstummt war. Doch obwohl sie es nicht mehr hörte, konnte sie an den roten Augen und dem Stirnrunzeln der anderen doch erkennen, dass es noch nicht völlig aufgehört hatte. »Vielen Dank für deine Hilfe, Ben. Ohne dich hätte ich sie nicht alle erwischt. Du hast schnell gehandelt.«
Ben zuckte mit den Schultern. »Sie hatten es auf deine Mutter abgesehen. Da konnte ich doch nicht dabeistehen und zusehen, wie sie sie verletzten. Ich habe einen leichten Schlaf. Falls noch irgendwas vorfällt, ruf mich, dann komme ich sofort!«
Riley rang sich zu einem knappen Lächeln durch. »Nochmals vielen Dank.«
Ben rieb sich die Schläfen und runzelte die Stirn, dann wandte er sich zum Gehen. Riley half mit, die Überreste der Fledermäuse in das Loch zu schieben, das Gary gegraben hatte, und wartete, bis Ben außer Hörweite war, bevor sie sich an Jubal wandte.
»So«, sagte sie, »jetzt ist er fort. Und ich will nun von euch wissen, was Rauls Gesang bedeutet und in welcher Sprache er gesungen hat. Es war auf jeden Fall keiner der landesüblichen Dialekte und auch keine Sprache irgendeines Stammes hier am Amazonas.«
Jubal schob seine Waffe in eine Art Holster unter seiner weiten Jacke. Riley fand es interessant, dass er sie erst jetzt wegsteckte, da Ben gegangen war.
»Es ist eine sehr alte Sprache«, antwortete Jubal. »Sie stammt aus den Karpaten, doch es gibt heute kaum noch jemanden, der sie
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