Gefangene der Flammen
die ihn gerettet hatten, verwandelte er sich schnell. Sein Fleisch war vollkommen verbrannt, und er brauchte sofort die heilkräftige Erde. Wieder einmal war Mitro vom Schicksal begünstigt worden. Der aufbrechende Boden in der Röhre war nicht das Werk des Vampirs gewesen, sondern des Vulkans, der sich auf einen größeren Ausbruch vorbereitete. Die Gestalt des Wurmes hatte Mitro gerettet, aber auch er würde sich in die vitalisierende Erde zurückziehen müssen. Beiden blieb nicht mehr viel Zeit dazu, denn der Vulkan würde bestimmt nicht auf sie warten.
KAPITEL VIER
M ist! Jetzt hab ich die ganze Aufregung verpasst«, sagte Don Weston zu Dr. Henry Patton, doch er hatte laut genug gesprochen, dass alle ihn hören konnten. »Die Fledermäuse, die in Flammen aufgingen, und Raul, der durchdrehte und jemanden mit der Machete erschlagen wollte. All das habe ich verschlafen. Das nächste Mal wecken Sie mich bitte!«
Scheinheilig blickte er sich nach Annabel und Riley um, als wäre seine dröhnende Stimme so leise gewesen, dass sie ihn nicht verstanden hatten. Sie folgten gerade alle im Gänsemarsch dem schmalen Wildwechselpfad zwischen der dichten Vegetation.
Annabel, die vor Riley ging, versteifte sich, drehte sich aber nicht um.
Riley presste die Lippen zusammen. Weston machte alles nur noch schlimmer. Er suchte Ärger, weil sein Ego darunter litt, dass Riley und ihre Mutter ihn links liegen ließen. Riley seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie konnte es kaum erwarten, den Fuß des Berges zu erreichen und sich von den Ingenieuren zu trennen, obwohl Ben Charger Wort gehalten und mit Jubal Sanders und Gary Jansen mit Argusaugen über sie gewacht hatte.
Annabel griff nach hinten und strich über Rileys Arm. Doch obwohl es nur eine ganz sachte Berührung war, konnte Riley das Zittern ihrer Mutter spüren. Annabel war sehr still geworden, sie sprach kaum noch, ihr Gesicht war blass und zum ersten Mal gezeichnet von den Jahren. Riley versuchte, nicht in Panik zu geraten, doch sie hatte wirklich das Gefühl, als zöge ihre Mutter sich immer mehr zurück und entglitte ihr. Alle anderen hatten schier ununterbrochen über die Vorfälle der vergangenen Nacht gesprochen.
Die Hälfte der Expeditionsteilnehmer bedachte Raul mit abfälligen Blicken, als wäre er plötzlich zu einem Serienmörder mutiert. Er schien sich an sehr wenig zu erinnern und wiederholte nur immer wieder, es sei ein Albtraum gewesen und wie sehr er sein Handeln bedauere. Und ehrlich gesagt tat er Riley sogar schrecklich leid. Sie hatte zwar noch immer Angst vor ihm, doch sie sah auch den Kummer in seinen Augen – und er hatte ja auch wirklich versucht, dem beständigen Druck und den geflüsterten Befehlen in seinem Kopf zu widerstehen. Sie hatte selbst beobachtet, wie er zwei oder drei Mal versucht hatte, umzukehren und zum Lagerfeuer zurückzugehen.
Annabel hatte sich mit keinem Wort zu den Vorfällen geäußert, nicht einmal, als Riley ihr erklärt hatte, dass sie die Zielscheibe der Angriffe gewesen war. Sie hatte ihre Tochter nur mit hoffnungslosen Augen angesehen – fast mit dem gleichen resignierten Blick, den Raul zur Schau trug – und den Kopf geschüttelt. Und sie hatte auch kaum etwas gegessen, bevor sie am nächsten Morgen wieder aufgebrochen waren. Die Führer hofften, bis zum Einbruch der Dunkelheit den Fuß des Berges zu erreichen. Von dort an würde dann jede Gruppe ihrer eigenen Wege gehen. Riley musste zugeben, dass sie gar nicht so erpicht darauf war, sich von Gary und Jubal zu trennen, wie sie ursprünglich gedacht hatte. Die beiden Männer hatten etwas sehr Beruhigendes an sich.
»Ich wünschte, er würde den Mund halten«, bemerkte Annabel plötzlich und rieb sich die Schläfen, als hätte sie Kopfweh.
Riley merkte, dass Weston noch immer über den Schlangenangriff von vor ein paar Tagen sprach und tönte, er wolle auch mal Fledermäuse grillen. Sein Gequassel war schon fast so monoton wie das endlose Gesumme der Insekten.
»Er ist ein Schwachkopf, der sich gern reden hört, Mom«, sagte Riley, um einen Anflug von Humor bemüht.
»Er hat Angst«, erwiderte Annabel in gedämpftem Ton. »Und er hat auch allen Grund dazu.«
Ihre leise, nichts Gutes verheißende Stimme jagte Riley einen kalten Schauder über den Rücken. Durch den Dschungel voranzukommen war nicht leicht. Sie befanden sich nicht in einem Bereich, wo die Bäume so hoch waren, dass kein Licht hindurchfiel und daher auch nicht viel darunter wuchs.
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