Gefangene der Flammen
scherzte nicht. Sie warf einen verstohlenen Blick zu Jubal. Seine Miene war genauso ernst.
»All diese Waffen, die ihr bei euch habt … Ihr habt damit gerechnet! Oh ja, ihr habt von Anfang an Bescheid gewusst!«
Gary schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht wahr. Eigentlich kamen wir her, um eine bestimmte Pflanze zu untersuchen, die wir für ausgestorben hielten. Eine kleine Gruppe von Abenteurern war letztes Jahr hier, und einer hatte ein Foto der Pflanze auf seinem Blog im Internet. Ein Freund von uns stieß zufällig auf die Aufnahme und schickte sie mir, weil er von meinem Interesse an seltenen Pflanzen wusste. Jubal und ich waren begeistert. Ich setzte mich mit dem Mann in Verbindung, der das Foto der Pflanze ins Netz gestellt hatte, und war mir nach seiner Beschreibung sicher, dass sie genau die war, die wir suchten. Und so nahmen wir Kontakt zu einem Führer auf und kamen her.«
»Aber unser Führer war krank«, warf Jubal ein. »Genau wie eurer und Dr. Pattons.«
»Und unserer«, fügte Ben hinzu.
Gary nickte. »Deshalb schlossen wir uns den anderen an. Da wir alle in die gleiche Gegend wollten, dachten wir, wir könnten zusammen reisen und dann am Fuß des Berges unserer eigenen Wege gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Ahnung, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.«
»Wir vermuteten erst, dass wir es mit einem Untoten zu tun hatten, als all die seltsamen Vorfälle ihren Anfang nahmen und eindeutig gegen deine Mutter gerichtet waren«, fügte Jubal hinzu. »Das Böse hat eine ganz bestimmte Ausstrahlung, die wir an anderen Orten schon gespürt hatten.«
Ben schüttelte den Kopf. »Nein. Niemals! Ich habe mich mit Vampirgeschichten auf der ganzen Welt befasst und muss zugeben, dass ein Teil von mir glauben wollte, dass es, wie in den Filmen, solche Kreaturen gab. Auf meinen Reisen begegnete ich einer Gruppe von Leuten, die voll und ganz an die Existenz von Vampiren glaubten und behaupteten, sie zu jagen und zu töten. Doch sie waren alle total meschugge. Völlig durchgeknallt. Es gibt nun mal keine Vampire. Die Leute, die sie töteten, waren krank, oder sie lebten anders oder konnten die Sonne nicht ertragen. Ich habe in allen Fällen ermittelt, und kein einziges ihrer Opfer war ein Vampir. Die wenigen Leute, die sich wie Vampire verhalten und des Blutes wegen töten, sitzen in Anstalten für geisteskranke Straftäter.«
»Das ist wahr«, stimmte Gary zu. »Ich weiß sehr gut, von welchen ›Leuten‹ du sprichst. Ich hatte vor langer Zeit mit ihnen zu tun, und es ist richtig, dass sie wahllos töten. Sie nehmen jemanden ins Visier und verdrehen dann die Fakten, damit sie das untermauern, was sie glauben wollen – und doch ist es eine Tatsache, dass Vampire existieren.«
»Wenn das stimmt«, wandte Ben ein, »warum weiß es dann niemand?«
Das war eine gute Frage, das musste Riley zugeben. Sie ließ den Kopf auf den Knien liegen, beobachtete aber aufmerksam Garys Gesicht. Er glaubte wirklich, was er sagte. Und Jubal ebenso. Doch keiner der beiden kam ihr irgendwie gestört vor. Sie hatte etwas Böses gefühlt, als sie die Hände in die Erde getaucht hatte. Und nicht nur das – sie hatte sogar seine Stimme gehört. Das ließ sich leider nicht leugnen.
»Wie konnte er die Fledermäuse und Affen, ja sogar die Piranhas und diese Schlange dazu bringen, meine Mutter anzugreifen, wenn er doch in dem Vulkan festsaß?«, fragte sie, ohne Garys oder Jubals Antwort auf Bens sehr vernünftige Frage abzuwarten. Sie glaubte Gary, und das war schlichtweg sehr erschreckend.
»Vampire können sehr mächtig sein. Falls dieser in dem Vulkan eingeschlossen überlebt hat, haben wir es mit einem von höchster Macht zu tun. Es gibt ihn seit mehr Jahrhunderten, als wir uns vorstellen können, und er ist immer mächtiger geworden.«
Riley schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte etwas wahrhaft Böses in die Welt hinausgelassen. »Es gibt Überlieferungen über die Vernichtung der Wolkenmenschen und der Inkas, die hier einmal lebten. Es heißt, dass irgendetwas ihre besten Krieger getötet und ihre Dörfer zerstört hat. Die Menschen damals glaubten, es sei ein böser Gott, der Menschenopfer forderte, vor allem Frauen und Kinder, aber dennoch nie zufrieden war. Könnte diese Kreatur so alt sein?«
»Ja«, erwiderte Gary ruhig.
Am liebsten hätte Riley sich irgendwo zusammengerollt und dem Trost der Erde überlassen. Bisher hatte sie nicht einmal Zeit gehabt, ihre Mutter zu betrauern, und jetzt
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