Gefangene der Flammen
fühlt sich sehr heiß an.«
Sie hatte beim Sprechen die Hände tief in das lockere Erdreich gegraben. Wie schon zuvor reagierte ihr Körper auf die Energie, die ihre Handflächen und Finger umgab, diese beruhigende Wärme, die in ihre Poren eindrang. Riley verhielt sich ganz still und lauschte. Der Boden ächzte und stöhnte. Es war wie ein Flüstern, in dem sie die Stimme ihrer Mutter wahrnahm, ein schwaches Echo nur – als lachte sie und die heiteren Laute durchliefen Stein und Erde, um ihre Tochter zu erreichen. Tränen brannten hinter Rileys Lidern und schnürten ihr die Kehle zu.
Sie hatte die Augen geschlossen und atmete tief ein. Zuerst konnte sie nur das Atmen der Männer und ein gelegentliches Krachen auf dem Dach der Höhle hören. Sie zwang sich, die Ablenkungen auszublenden und sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, eine Verbindung zu finden, eine Möglichkeit, diese Quelle der Information anzuzapfen, die sich nur knapp außerhalb ihrer Reichweite zu befinden schien. Riley konnte Gepolter hören und wusste, dass sie sich nur darauf einzustellen brauchte, um zu verstehen, was in der Welt um sie herum geschah.
Es war wie ein Wunder, aber sie hatte ein regelrechtes Nachrichtenzentrum aufgetan, das bereit war, sie mit Informationen zu versorgen; sie hatte nur noch nicht gelernt, es zu benutzen. Doch wann immer sie die Hände in die fruchtbare Erde steckte, merkte sie, dass sie mehr und mehr der Geheimnisse um Annabel löste. Was auch immer die Gabe sein mochte, die von Mutter zu Tochter weitergegeben wurde, sie war hier im Boden eingeschlossen und wartete nur darauf, dass Riley das Vermächtnis, das ihr hinterlassen worden war, entdeckte. Sie musste bloß die richtigen Worte finden, um die Geheimnisse zu entschlüsseln. Und da andere auf sie angewiesen waren, musste sie sich Mühe geben.
Wieder atmete sie tief ein und aus und verdrängte den Impuls, schnellstmöglich zu handeln. Die Stimmen der Männer verstummten und nahmen auch die anderen Geräusche mit, die auf ihre Anwesenheit hinwiesen. Die Wände der Höhle lösten sich auf. Furcht und Kummer verließen Riley, bis sie nur noch ihren eigenen Atem hörte. Ein paar Minuten beließ sie es dabei, atmete ruhig ein und aus und nutzte diesen einfachen Vorgang, um einen klaren Kopf zu bekommen und ihren Geist zu öffnen.
Jetzt wurde sie sich eines Pulsschlags bewusst – eines ewigen Pochens, das aus dem tiefsten Kern der Erde kam. Durch ihre Fingerspitzen nahm sie eine Wolke äußerst heißer Gase wahr und verspürte eine innige Verbindung zu diesem älteren Stern, der heftig explodierte, aber neue Sterne für die Sonne, den Mond und den Planeten Erde hervorbrachte. In Gedanken konnte sie sogar die Schöpfung sehen, den galaktischen Nebel, der zerfiel und sich zu einer abgeflachten, sich langsam drehenden Scheibe abkühlte, und die von einem pulsierenden Ozean aus geschmolzenem Stein bedeckte Oberfläche der Erde.
Riley spürte das brodelnde Magma unter der Oberfläche, die Verlagerung von Kontinentalplatten und das Aufsteigen von Bergen, die Wurzeln, die sich wie enorme Ketten und Schlingpflanzen tief unter der See und unter jedem Kontinent ausbreiteten und alle Teile des Planeten miteinander verbanden – und sie alle wiederum mit ihr. Das erste leise Gewisper erreichte sie, das Gemurmel und die Stimmen längst verstorbener Frauen, die Riley in ihrer Schwesternschaft willkommen hießen.
Ihr lachte das Herz in der Brust, als sie die vertraute, tröstliche Präsenz ihrer Mutter und Großmutter wahrnahm.
KAPITEL ACHT
D ax starrte in die hasserfüllten, triumphierenden Augen des Vampirs. So wie der Vulkan Dax verändert hatte, hatte sich auch Mitro zu etwas anderem entwickelt. Er hatte Hunderte von Jahren in dieser überhitzten Umgebung verbracht, und um dem Druck, den Gasen und der Hitze zu widerstehen, hatte Mitro eine Gestalt angenommen, die besser geeignet war für diese Art von Hölle. Über die Jahrhunderte hatte sein Körper den Panzer einer mutierten Echse angenommen.
Dicke Höcker teilten Mitros Schädel. Seine Haut spannte sich straff über schweren Knochen. Sein angesengtes Haar stand in rasiermesserscharfen Reihen sehr gerade in die Höhe. Seine Augenlider waren schwerer geworden, und die Augen selbst, die Spiegel der Seele, waren völlig schwarz, ganz ohne Weiß und ohne Leben. Narben, die von dem Magma stammten, bildeten tiefe Krater auf dem größten Teil der freiliegenden Haut. Diese war schleimbedeckt, hatte einen gelblichen
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