Gefangene der Leidenschaft
Morgans Züge sich anspannten. Er wollte etwas sagen, doch Alden kam ihm zuvor. „Es gibt noch viele Gäste, die Eurer Schönheit huldigen möchten, Majestät!“
Lord Windham warf ihm einen eisigen Blick zu und stelzte dann davon.
„Gib Acht, mein Freund“, murmelte Alden. „Eines Tages könnte Lord Windham genug von deinen Spitzen haben und das Schwert gegen dich erheben.“
„Nur, wenn ich ihm den Rücken zukehre. Er ist zu feige, um mich zu einem fairen Kampf zu fordern.“
„Dann sei gewarnt. Ein Feigling ist der schlimmste aller Feinde. Denn er ist unberechenbar!“
„Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Nicht ich, die Königin braucht Schutz!“
Der Zeremonienmeister verkündete, dass die Königin und ihre Gäste an der Festtafel erwartet würden.
Elizabeth überblickte lächelnd die Schar der festlich gekleideten Männer und Frauen, die zum innersten Kreis ihres Gefolges gehörten. Dies waren die zu Titeln und Würden gekommenen reichen Adligen, mit denen sie sich wohl fühlte. Sie alle blickten erwartungsvoll auf die Königin, voll Neugier, welcher Mann an diesem Abend die Ehre haben würde, sie zur Tafel zu geleiten.
Lord Windham beobachtete sie besonders gespannt. Wenn Elizabeth ihren bevorzugten Begleiter erkor, wäre die Schottin ohne Tischherrn. Er hatte die feste Absicht, Lady Brenna zur Tafel zu führen. Es reizte ihn, mit der schönen Schottin zu flirten und sie ... vielleicht... zu verführen.
Andererseits, wenn die Königin zu Gunsten der Schottin auf Morgan Greys Gesellschaft verzichtete, käme nur er, Lord Windham, als ihr Begleiter infrage. Und deshalb hatte er keine Begleiterin zu dem Fest mitgebracht. An Elizabeths Seite zu tafeln wäre mindestens so vielversprechend, wie die kleine Schottin zu umwerben. Er kam seinem Ziel, am Hof im Mittelpunkt zu stehen, immer näher.
Elizabeth zögerte einen Moment, als hätte sie sich noch nicht entschieden. „Lord Windham, Ihr werdet Eure Königin zum Bankett geleiten.“
Mit einem hämischen Blick in Morgans Richtung bot Windham der Königin den Arm und führte sie in den Festsaal. Die übrige Gesellschaft folgte.
„Morgan“, rief Elizabeth über die Schulter, „Ihr und Lady Brenna werdet bei mir an der Tafel speisen.“
Morgan Grey fluchte im Stillen. Er hatte nicht das geringste Bedürfnis nach Windhams Gesellschaft, und er würde sich sehr zusammenreißen müssen, um höflich zu dem Mann zu sein. „Ja, Majestät, mit dem größten Vergnügen!“
Er bot Brenna den Arm, und sie folgten der Königin und Windham zu der Tafel an der Stirnseite des Saals.
„Die Königin und Lord Windham scheinen sehr enge Freunde zu sein“, murmelte Brenna, als Morgan ihr den Stuhl zurechtschob.
„Ja. Die Königin schätzt seine Gesellschaft sehr.“
„Und Eure, Mylord?“
„Ich habe ebenfalls ein ... enges Verhältnis zu meiner Königin.“
„Das habe ich bemerkt.“
Morgan verbarg seine Überraschung. War es Einbildung, oder hatte er tatsächlich einen eifersüchtigen Unterton in Brennas Stimme herausgehört?
Er nahm neben Brenna Platz und beobachtete, wie die festlich gekleideten Gäste sich an die anderen Tische setzten. Ihm hatte bereits sehr davor gegraut, einen endlos langen Abend mit diesen eitlen Pfauen und aufgeputzten Ladys zu verbringen. Doch plötzlich freute er sich auf die nächsten Stunden. Er schien der Schottin nicht so gleichgültig zu sein, wie sie tat. Und er mochte nichts lieber als ein scharfes Wortgefecht. Besonders, wenn er es mit einer klugen und schönen Frau austrug.
Eine festliche Stimmung herrschte im Palast von Richmond. Diener in Livreen servierten die Speisen. Die silbernen Platten waren mit gerösteten Spanferkeln, Fasanen, Rebhühnern und gebratenen Tauben beladen. Dampfende Pasteten wurden aufgetragen, und von dem noch warmen Brot in den Körben ging ein verlockender Duft aus. Nach jedem Gang wurden endlose Trinksprüche auf die Königin ausgebracht, auf ihre Gesundheit, auf das Wohl ihres Landes und ihres Volkes. Und nach jedem Trinkspruch wurden die Kelche und Humpen mit Wein
und Ale nachgefüllt.
Brenna beobachtete, wie Elizabeth die ihr angebotenen Speisen begutachtete, kurz nickte und dann dem servierenden Diener ein Zeichen gab. Darauf trug er das Tablett zu einem würdig gekleideten Mann, der am anderen Ende des Tisches saß. „Wer ist das?“ flüsterte Brenna.
„Der Vorkoster der Königin, Lord Quigley.“
Was für ein Leben, wenn eine Herrscherin jeden Moment um ihr Leben fürchten
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