Gefangene der Magie
hatte.
»Komm mit!«, forderte Ryan sie auf. »Ich will dir etwas zeigen.«
Dann drehte er sich um und entfernte sich von der Tür. Er wartete nicht einmal ab, ob Kira ihm folgen würde. Wieso sollte er auch? Sie folgte ihm immer. Zum ersten Mal erfüllte sie die Selbstverständlichkeit, mit der er dies hinnahm, jedoch mit Wut. Sie ging ihm auch dieses Mal nach, aber nur zögerlich. Es kam ihr wie eine Rebellion vor.
Ryan führte sie in den unteren Teil des Gebäudes, den sie noch nicht kannte. Auch hier stand teures Mobiliar, das eigentlich viel zu chic für einen Keller war. Doch sie beachtete es nicht weiter. Ihr Blick ging ins Leere und ihre Füße schlurften träge über den weichen Teppichboden. Van Gogh hätte ihr von seinem Selbstporträt an der Wand aus zuwinken können und sie hätte es nicht bemerkt.
Wusste Ryan, was sie vergessen hatte? Würde er es ihr sagen, wenn sie danach fragte? Sie bezweifelte es und das erschreckte sie. Bisher hatte sie Ryan nie als einen Gegner betrachtet. Oder doch? Ihre Schläfen pochten.
Kira bemerkte erst, dass sie stehen geblieben war, als Ryan sich zu ihr umdrehte und sie fragend ansah. Ihre Blicke trafen sich und sofort war ihr Misstrauen wie fortgespült. Der Magier bedachte sie mit seinem charmanten Lächeln und hielt ihr auffordernd die Hand hin. Sie ergriff sie ohne zu zögern und ließ sich von ihm weiterziehen.
Vor einer Wand hielt er an. Auf den ersten Blick war sie wie jede andere, nur dass hier kein einziges Gemälde hing. Dann murmelte Ryan ein paar Worte und die Illusion zerrann vor ihren Augen. Eine Tür kam zum Vorschein. Da sie Kira keine Angst machte, ging sie ohne Weiteres hindurch.
Kerzen flammten auf, als der Magier ihr folgte. Im sanften Licht sah sie, dass dieser Raum deutlich spärlicher eingerichtet war als der Rest des Hauses. Bei seinen Sicherheitsvorkehrungen, all den Mühen, diesen Raum vor neugierigen Augen zu verstecken, hatte Kira etwas sehr viel Prunkvolleres erwartet. Es gab keine kuscheligen Sitzecken, nicht einmal einen Stuhl. Statt eines weichen Teppichs spürte sie einen eisigen Steinboden unter den Sohlen. Die Kälte kroch ihr die Beine hinauf.
Anstelle einer gemütlichen Einrichtung stand hier ein Regal neben dem anderen. Allesamt befüllt mit Büchern, Schatullen und Schmuckstücken.
»Was ist das?«, fragte Kira. Ihre Stimme klang erschreckend hohl. Hatte sie schon immer so geklungen?
»Meine Schatzkammer«, sagte Ryan stolz.
Kira machte einen Schritt auf das vorderste Regal zu. Ihre Augen glitten suchend über die vielen Reihen. Hier war etwas. Etwas, was ihren Namen sang.
Ryan holte derweil einen Samtbeutel von einem der Bretter und entnahm ihm eine Münze. Sie schimmerte golden im Kerzenlicht und wie Kira Ryan kannte, war es reines Gold. Er war niemand, der sich mit billigen Legierungen aufhielt.
»Diese hier soll Lughs* Geldbeutel entstammen. Sie zu besitzen, mehrt angeblich den eigenen Reichtum.« Ryan lächelte überheblich. »Geldnot gehörte noch nie zu meinen Sorgen. So konnte ich die Wahrheit dieser Theorie leider nie überprüfen.«
Ryan legte Beutel samt Münze wieder zurück und hielt nun einen anderen Gegenstand in die Höhe.
»Viele dieser Gegenstände sind so alt, dass sie mit der Zeit ihre eigene Magie erworben haben«, sagte Ryan. »Andere jedoch muss man ständig aufladen, um ihre Funktionalität gewährleisten zu können. Ich hatte gehofft, dass du mir in dieser Hinsicht ein wenig helfen könntest.«
Kira nickte abwesend. Sie hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Ihr Blick wanderte immer wieder suchend über die Schätze. Was rief nach ihr?
Dann sprang ihr eine Schatulle aus dunklem, lackiertem Holz ins Auge, die in einer der hinteren Reihen stand.
Ein Blitz fuhr ihr durch die Glieder. Der Gedanke hatte sich noch gar nicht richtig in ihr festgesetzt, da war sie schon losgerannt. Ihre Hände schnellten vor und sie riss die Schatulle an sich.
»Kira, was tust du da?« Ärger und Überraschung sprachen aus Ryans Stimme.
Sie ignorierte ihn. Ihre Hände glitten liebkosend über das glänzende Stück Holz. Es war mit einem Schloss aus Zinn versiegelt, das bei ihrer sanften Berührung jedoch sofort aufsprang. Es machte irgendwie Sinn: Der Inhalt des Kästchens gehörte Kira, weshalb also sollte es ihr den Zugriff verwehren?
Ryan stürmte mit wutverzerrtem Gesicht auf sie zu und entriss ihr die Schatulle. Kira wehrte sich nicht. Den eigentlichen Schatz hatte sie längst an ihre Brust gepresst.
Ryan
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