Gefangene der Magie
bemerkte dies ebenfalls. »Kira!«, donnerte er los. »Gib mir die Flöte!«
»Nein.«
Ryan starrte sie ungläubig an. Ihr plötzlicher Aufstand verwirrte sie selbst. Aber die Flöte konnte sie ihm nicht geben. Das Instrument war für sie bestimmt. Das wusste sie tief in ihrem Inneren, wo die Magie zu flüstern begann.
»Nein!«, wiederholte sie, diesmal mit noch mehr Nachdruck.
Sie hielt die Flöte so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Als fürchtete sie, sich selbst zu verlieren, sollte sie jemals wieder loslassen. Um die Flöte zurückzubekommen, müsste Ryan ihr schon die Hand abschlagen.
Eine vertraute Melodie umspielte ihren Geist, löste den Zauber, mit dem Ryan ihre Erinnerungen lahmgelegt hatte. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf: die Gestalt eines Frettchens, rot glühende Augen und ein Grab. Feuer. Runen. Die Wucht, mit der diese Erinnerungen auf sie einstürmten, ließ sie taumeln. Kira packte den Rand eines Regals, um nicht zu stürzen.
Danu, wie hatte sie das alles nur vergessen können?
»Dass du es wagst!«, fauchte sie. Sie war eine Túatha Dé Danann und der Magier hatte sie wie einen treuen Golden Retriever behandelt. Ihr Körper bebte vor unkontrolliertem Zorn.
Ryan besaß nicht einmal den Anstand, sich schuldbewusst zu zeigen. Da war nur eine vage Enttäuschung in seinen Zügen, als hätte er gehofft, sein neuestes Sammlerstück nicht gleich wieder hergeben zu müssen.
Er seufzte leise. »Ich hätte wohl wissen müssen, dass ich eine Túatha Dé Danann nicht ewig halten kann.«
»Du hättest dazu überhaupt nicht in der Lage sein dürfen!«
Noch mehr Bilder. Ein Leichnam, der leblos bleiben sollte. Ein Gesicht voller Piercings. Kerzen. Ein Schrei in der Nacht. Der Geruch von Asche.
Übelkeit stieg in ihr auf. Wie lange hatten sie hier mit offenen Augen vor sich hin vegetierend verbracht? Wie lange hatte Ryan sie in seinem Bann gefangen gehalten?
»Bei Danu, Cian«, krächzte sie. »Wir müssen fort von hier.«
Keine Antwort. Tief in ihrer Brust krampfte sich etwas zusammen. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Wie lange war es her, dass sie Kingsleys Stimme vernommen hatte?
»Cian?«, fragte sie panisch.
Alles in Ordnung , hallte es aus den Tiefen ihres Bewusstseins. Kingsleys Stimme klang anders als sonst. Gedämpft, als würde eine dicke Wand zwischen ihnen stehen.
»Cian?«, fragte der Magier neben ihr, den sie in ihrer Torheit einen Moment lang vergessen hatte. »Dann stimmen die Gerüchte also? Du trägst wirklich die Seele des toten Magiers in dir?«
Ryans Augen funkelten vor Faszination und ehe sie sichs versah, stand er direkt vor ihr und hielt ihren Kopf mit beiden Händen umklammert.
Es tat nicht weh – und dennoch schrie sie laut auf. Ihre Knie gaben nach und nur Ryans Griff bewahrte sie davor, zu Boden zu gehen. Unsichtbare Finger durchwühlten ihren Geist.
Es war ein entsetzliches Gefühl. Eins, das sie schon kannte und das sie mit entsetzlichem Grauen erfüllte. Sie wusste, was ihr bevorstand. Schon einmal hatte ihr ein Magier Cians Seele aus dem Körper gerissen – damals auf einem kalten Stahltisch im Magic Central – und jetzt würde dies wieder passieren.
Kira kratzte und schlug in wilder Panik um sich. Vergebens. Ryans Finger lösten sich keine Sekunde von ihren Schläfen. Sie schrie, griff nach der Magie im Raum und wollte damit Ryans Blut zum Kochen bringen. Jeden seiner Knochen zersplittern lassen.
Ohne eine einzige Schweißperle zu verlieren, entzog ihr Ryan die Magie wieder. Er ließ sie kraftlos und leer zurück, wie eine bloße Hülle.
Etwas in ihr riss. Sie hörte Kingsley schreien. Ein letztes Mal.
Dann Stille.
Sie durchsuchte ihren Kopf nach ihm, doch da war niemand.
Sie war allein.
»Bring ihn zurück!«, stieß Kira zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Ryan hatte den Griff um ihren Kopf gelöst. Er wollte von ihr wegtreten, aber sie ließ ihn nicht. Ihre Finger krallten sich in seinen Hemdkragen.
»Sag es mir! Oder ich werde Dinge mit dir anstellen, die den Tod noch wie einen Trip zum Vergnügungspark aussehen lassen. Das schwöre ich dir beim Blut meiner Mutter!«
Ryans Lächeln bröckelte, wie sie zufrieden feststellte. »Solltest du mir nicht eher dankbar dafür sein, dass du diesen Parasiten endlich los bist? Aber gut, wenn du ihn wiederhaben willst … Ich habe ihn nicht allzu weit von mir geschleudert, er muss also noch irgendwo hier sein.«
Kira ließ von Ryan ab und richtete
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