Gefangene der Magie
spüren, wie ihr Geist an die Oberfläche drängte, doch er schob ihn sanft, aber bestimmt zurück. Diesmal würde er sich den Kampf mit Ares nicht nehmen lassen.
Der Werwolf tanzte ihnen bloß auf der Nase herum, weil Kira bisher immer davor zurückgeschreckt war, ihm eine ordentliche Abreibung zu verpassen. Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge. Er würde nicht so freundlich sein.
»Wohin gehst du?«, fragte McNamara überrascht, als Cian entschlossen aufsprang.
Die Sidhe liebten ihr Leben. Keine von ihnen hätte es mit sechs ausgewachsenen Werwölfen aufgenommen. Wenn Cian nicht gerade am Steuer gewesen wäre, hätte McNamaras Abschrecktaktik garantiert funktioniert. Kira wäre beim Anblick der Wölfe brav bei ihm geblieben.
Cian jedoch konnte eine Bande Werwölfe kaum beeindrucken. Dafür hatte er in den letzten Tagen zu viel erlebt: Er war mehrmals erschossen worden, vor einem Feuer speienden Drachen geflohen, aus Hunderten Metern Höhe auf die Erde gekracht und hatte sogar mit seiner eigenen Leiche kämpfen müssen. Hah, dagegen war so ein Flohhaufen doch keine ernste Gefahr!
»Wirklich nett von dir, meine Wunden zu heilen, aber es wird Zeit für mich zu gehen. Da draußen wartet ein Werwolf auf mich.« Und bevor McNamara Einsprüche erheben konnte, lief Cian aus der Küche.
Er erreichte die Eingangshalle, ohne dass irgendjemand versuchte, ihn aufzuhalten. Sein Mut und sein Hochgefühl verflogen jedoch, als er vor der eichenen Eingangstür zum Stehen kam.
Sie erschien ihm auf einmal um ein Vielfaches größer als zuvor. Er konnte sich nicht einmal dazu durchringen, die Hand nach der Klinke auszustrecken. Etwas sagte ihm, dass etwas Furchtbares geschehen würde, wenn er die Tür aufmachte. Ein Zittern schüttelte seine Glieder.
Da legte sich eine warme Hand auf seine Schulter. »Vielleicht möchtest du dich lieber etwas ausruhen. Du wirkst erschöpft.«
McNamaras Stimme umhüllte seinen aufgewühlten Geist wie süßer Honig.
Cian spürte, wie er ruhiger wurde. »Ja, ich bin erschöpft.«
»Wieso nimmst du nicht ein Bad? Das entspannt dich sicher und ich meine, auch noch etwas Blut in deinem Haar kleben zu sehen.«
Cian murmelte seine Zustimmung. Ein heißes Bad. Das hörte sich großartig an.
Irritiert betrachtete er die Tür vor seinen Augen. Er konnte sich nicht erklären, weshalb er so dicht vor ihr stand. Hastig wich er einen Schritt zurück. Es gab schließlich keinen Grund für ihn, dieses Haus zu verlassen. Die Welt außerhalb dieser Wände war ohne Zweifel grässlich.
Über sich selbst leise lächelnd, folgte er McNamara die Treppe hinauf.
Später erinnerte sich Kira an lange Abende vor dem Kamin, an das Summen von Magie, an lachende Gesichter, an Fenster, die eine falsche Außenwelt zeigten, an eine Banshee, deren Gesellschaft sie mied, an verzaubertes Geschirr, an eine immer leiser und leiser werdende Stimme in ihrem Kopf und vor allem an eine Tür. Immer wieder hatte sie die Tür vor Augen.
Noch mehr beschäftigte sie allerdings, an was sie sich nicht mehr erinnern konnte. Sie hatte etwas Wichtiges vergessen, dessen war sie sich sicher. Sie wusste nur nicht, was es war.
Danu steh ihr bei.
Der Eingangsbereich wurde von den anderen gemieden wie die Pest. Kira spürte die gleiche Abneigung wie sie und dennoch fand sie sich Tag für Tag vor der eichenen Tür wieder. Mit jedem Stundenschlag schien diese noch ein wenig größer zu werden.
Einmal hatte Kira ihre Mitbewohner gefragt, wann sie das letzte Mal durch die Tür getreten waren. Manche ignorierten ihre Frage, als könnte allein ein Gespräch darüber Unglück bringen. Andere waren sich nicht sicher, ob sie überhaupt schon einmal draußen gewesen waren. Ein Kobold beteuerte sogar, dass die Welt jenseits der Tür endete.
Es gab Tage, an denen sie ihm glaubte.
Kira wusste nicht, wie lange sie jetzt schon wieder dastand und die Tür beobachtete, als Ryans Stimme ihre Starre löste. »Kira, was tust du da?«
Blinzelnd drehte sie sich zu ihm um. Ein freundliches Lächeln begrüßte sie, doch dann flackerte etwas in seinem Blick auf, das seine Maske Lügen strafte. Sie glaubte, diesen Ausdruck in seinen Augen schon einmal gesehen zu haben. Wie lange war das her?
»Ich … bin mir nicht sicher.« Sie wusste es wirklich nicht. Ihr Blick wanderte wieder zum Eichenholz, das sie genauso stark anzog, wie es sie abstieß. Sie wusste nur, dass sich auf der anderen Seite etwas unglaublich Wichtiges verbarg. Etwas, was sie vergessen
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