Gefangene der Sehnsucht
Beinen und überkreuzten Füßen am Feuer und warf einen dicken Ast in die niedrigen Flammen. Einige dürre Zweige, die noch daran saßen, spuckten wütende Funken, aber der Ast selbst bildete eine dicke dunkle Mitte in den glühend heißen Scheiten.
Eva brach das Schweigen.
»Ein Attentäter?«
Er reagierte darauf, indem er hochschaute und antwortete, als würde er ein eben unterbrochenes Gespräch wieder aufnehmen: »Ich glaube, das Überraschendste von allem ist, dass Ihr bisher die Wahrheit gesagt habt. Wenn ich auch noch nicht genau weiß, worüber.«
Sie stieß einen langen Atemzug aus. »Jamie, Ihr lügt. Ihr habt nicht einmal überrascht ausgesehen.«
Er schaute auf das Feuer.
»Ihr versteht das nicht«, sagte sie ruhig.
»Und Ihr erklärt es mir nicht.«
»Jamie«, sagte sie mit einem hilflosen Lachen, »was wollt Ihr von mir? Wie könnte es aussehen, dieses ›Erklären‹? Wir sind wie das Oben und Unten einer Karte, Ihr und ich. Berge und Meere trennen uns. Wie kann es sein, dass ich mich Euch erklären würde? Und am Ende wäre es nicht wichtig.«
Er schaute nicht auf. »Es ist wichtig.«
Seine Augen wurden dunkel, tiefblau, was geschah, wie sie inzwischen wusste, wenn der Tag in die Nacht überging. Es fühlte sich sehr intim an, dies über jemanden zu wissen.
»Oh Jamie«, sagte sie leise, »Ihr habt schlecht daran getan, Euch an König John zu binden.«
»Und Ihr habt schlecht daran getan, Euch an niemanden zu binden.«
Sie tat einen raschen, stillen Atemzug und lächelte traurig. »Wir sind ein jämmerlich zusammenpassendes Gespann, Ihr und ich. Das Nichts und die Dunkelheit, einer von uns gebunden an das Nichts, der andere an den Teufel.«
Sein Blick glitt zurück zum Feuer. »Ich bin, was ich bin, Eva. Ihr wisst, was das ist, oder Ihr wisst es nicht.«
Als er sie aus harten, dunklen, gefährlichen Augen anschaute, sah Eva alles darin. Ausgebreitet wie eine Straße lag die Wahrheit vor ihr, die Wahrheit darüber, was mit Jamie sein würde. Es hatte bereits angefangen. Ihr Herz wandte sich ihm zu wie eine Blume der Sonne.
Zu ihrem Schrecken standen ihr Tränen einer mächtigen Wut in den Augen. Dies war das Gefährliche, das sie von Anfang an in ihm gesehen hatte: diese Verbindung. Aber alles darüber war eine schmutzige Lüge. Sie hatte so etwas niemals zuvor gekannt; was um alles in der Welt ließ sie denken, dass es jetzt etwas Wahrhaftes war?
Dies war die Wahrheit ihres Lebens: Alles war genau so, wie es zu sein schien.
Muster wiederholten sich, und Menschen waren genau wie sie zu sein schienen. Jamie war nicht aufrichtig, ganz egal, wie verzweifelt sie wünschte, dass er es wäre. Jeder beugte sich, wenn man ihm genügend Anlass dazu gab. Sogar sie.
Das war es, was sie am meisten fürchtete.
»Sagt mir, was geschehen ist.«
Sie wandte den Blick ab. »Wir haben uns versteckt, und dann sind wir geflohen.«
Er drehte die Spitze des dicken Astes im Feuer hin und her und sagte ruhig: »Manche sagten, es sei ein Massaker gewesen, in jener Nacht auf Everoot.«
Eva nickte. Sie hatte die Erinnerungen nicht mehr ständig in ihrem Bewusstsein, und das war ein kleines Geschenk Gottes. Sie erinnerte sich an das, was geschehen war, wie an eine Sammlung verschwommener Bilder, so wie man Teller oder Silber sammeln mochte.
»Ich hatte seit Jahren auf Everoot gelebt. Ich war dorthin geschickt worden …«, sie holte tief Luft, »weil meine Mutter den König verärgert hatte.«
»Wann war das?«
»Als er den Thron bestieg.«
»Also habt Ihr dort …«, er rechnete rasch nach, »… sechs Jahre gelebt?«
»So ungefähr.« Sie beugte sich vor, griff nach einem Zweig und warf ihn ins Feuer. »Ich weiß, was Ihr denken müsst.«
»Was muss ich denken?«
»Ihr vermutet, dass ich die Everoot-Erbin bin.«
Er schüttelte den Kopf, sein Blick war beständig auf sie gerichtet. Es war ein harter, durchdringender Blick aus seinen nachtdunklen Augen. »Niemals. Ihr hättet niemals davonlaufen und Eure Mutter zurücklassen können.«
Verfluchter Jamie. Ihre Nase zwickte fest, und sie schluckte, einmal, ein zweites Mal, ein drittes Mal. Wie machte er das, dass er wie ein Bogenschütze auf die Dinge des Herzens zielte, wenn es ihm so offensichtlich an einem fehlte?
»Ich bin nicht davongerannt«, sagte sie mit unbeugsamer Genauigkeit. »In dem Moment, in dem wir den König heranreiten sahen, musste ich ihr versprechen, Roger zu nehmen und zu fliehen. Ich hätte sie niemals zurückgelassen, das
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