Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
vergangenen Monate eine wichtige Rolle gespielt hatte, die weniger mit ihrer Arbeit zu tun hatte als vielmehr mit dem, wer sie war und wie sie sich ihm gegenüber verhielt. Ihr Enthusiasmus schien sich auf ihn, dem es an Enthusiasmus bisher wahrlich nie gemangelt hatte, zu übertragen und ihn zu noch größeren Taten anzuspornen.
Er schaute aus dem Fenster. Der Himmel war leicht dunstig. Am Anfang war der Umgang mit Becky Lynn nicht ganz einfach gewesen; jedes Mal, wenn er ihr zu nahe kam, war sie zusammengezuckt und wie ein aufgescheuchtes Reh beiseite gesprungen. Doch mittlerweile hatte sie sich deutlich entspannt und scheute nicht mehr vor jeder körperlichen Berührung zurück. Sie war viel lockerer geworden, und ihre Selbstsicherheit wuchs von Tag zu Tag. Sie war warmherzig, humorvoll und loyal.
Noch immer rätselte er, was für ein schreckliches Ereignis sie wohl dazu bewogen haben mochte, von zu Hause fortzugehen. Bisher hatte er noch keine Antwort darauf gefunden. Über alles, was in ihrer Vergangenheit lag, schwieg sie sich aus.
Plötzlich nervös geworden, schaute er auf seine Armbanduhr. Wo blieb sie nur? Becky Lynn war normalerweise so pünktlich, dass er seine Uhr nach ihr stellen konnte.
Er stieß eine leise Verwünschung aus und nahm seine Wanderung wieder auf. In letzter Zeit hatte er viel zu viel über Becky Lynn nachgedacht. Wenn sie nicht da war, gingen ihm immer wieder bestimmte Eigenarten von ihr durch den Sinn – zum Beispiel, wie sie ihren Kopf in den Nacken warf, wenn sie lachte, oder wie ihr Haar duftete oder … oder … oder. Er hätte tausend Dinge aufzählen können, die ihm plötzlich einfielen, wenn er allein war.
Seine Miene verfinsterte sich, und er schüttelte den Kopf. Mittlerweile war er schon fast besessen von der Vorstellung, wie es wohl sein mochte, mit ihr zu schlafen. Nicht dass er das etwa beabsichtigt hätte. Es war reine Neugier. Hormonell bedingte Neugier. Sie hatten eine Beziehung miteinander, auch wenn es eine reine Arbeitsbeziehung war. Doch eine Beziehung zu einer Frau war für ihn bisher immer gleichbedeutend gewesen mit Sex.
Was Becky Lynn anbelangte, lag der Fall jedoch vollkommen anders. Jack war überzeugt davon, dass jeder Versuch, sich ihr sexuell zu nähern, sich umgehend als ein großer Fehler herausstellen würde. Deshalb war er gezwungen, die Finger von ihr zu lassen. Er wäre verrückt, ihre gute Arbeitsbeziehung aufs Spiel zu setzen, nur weil er neugierig war. Für Becky Lynn würde Sex viel, viel mehr bedeuten als für ihn, davon war er felsenfest überzeugt. Für Jack war Sex nicht mehr als ein rein körperlicher Akt, bei dem er seinen Geschlechtstrieb und seine Neugier befriedigte.
Wieder schüttelte Jack den Kopf und stieß eine leise Verwünschung aus. Er wollte ja gar nicht mit Becky Lynn schlafen. Wahrscheinlich dachte er nur deshalb so viel darüber nach, weil er keine Lust dazu hatte. Doch das war eine Überlegung, die nun beim besten Willen überhaupt keinen Sinn ergab. Nicht mal für ihn.
„Jack!“ Völlig außer Atem kam Becky Lynn ins Studio gestürmt und schwenkte die neueste Ausgabe der Los Angeles durch die Luft. „Schau doch nur, was ich hier habe!“
Lächelnd ging Jack ihr entgegen. „He, he, wo brennt’s denn?“
Dicht vor ihm kam sie zum Stehen. „Hier.“ Nach Luft schnappend reichte sie ihm das Magazin. „Du bist ein heißer Tipp, Jack.“
Er betrachtete ihre vor Aufregung und vom schnellen Laufen geröteten Wangen. „Großer Gott, du bist ja ganz außer Atem.“
Sie entriss ihm die Illustrierte wieder und blätterte sie aufgeregt durch. „Hier“, sagte sie schließlich, tippte mit dem Zeigefinger ein paarmal auf eine Seite und drückte ihm die Los Angeles wieder in die Hand.
Sein Blick fiel auf die Überschrift: Die zwanzig vielversprechendsten Fotografen der Westküste.
Sein Herz begann zu hämmern, seine Handflächen wurden feucht. „Welcher Platz?“ fragte er heiser und wagte es nicht, einen Blick auf die sich unter dem Artikel befindliche Schautafel zu werfen. Und wenn er nun nicht unter den ersten zehn war? Egal, das Leben würde trotzdem weitergehen.
„Du bist auf Platz sechs, Jack.“
„Auf Platz sechs?“ fragte er ungläubig zurück.
Noch immer nach Atem ringend nickte sie mit Nachdruck. „Ja. Du hast Hampton Smith und Jay Patrick überholt.“
Es dauerte einen Moment, bis ihre Worte in ihm ihren Niederschlag gefunden hatten. Als es schließlich so weit war, ließ er das Magazin zu Boden
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