Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
den Füßen. Die Panik verwandelte den Speichel in seinem Mund in Essig. „Ich … äh … ich …“
Nun hob sich auch noch die zweite dunkle Augenbraue, und der Mann vor ihm gab ein ungeduldiges Schnauben von sich. „Nun?“
Jack verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, während er verzweifelt nach den passenden Worten suchte. Anscheinend hatte er zu lange gesucht, denn Giovanni drehte sich wortlos um und machte Anstalten wegzugehen.
Jacks Herzschlag setzte aus. Er hatte seine Chance verpasst! Nach der ganzen Zeit, nach all dem Warten konnte er seinen Vater unmöglich jetzt einfach weggehen lassen. Ohne lange zu überlegen, griff er von hinten nach dem Arm des Fotografen. „Warten Sie!“
Giovanni blieb stehen und drehte sich um. Jack spürte, wie sein Vater sich versteifte.
„Ich wollte nur …“ Seine Kehle führte sich an wie zugeschnürt, er musste sich räuspern. „Ich wollte nur, dass Sie wissen, dass Sie … dass Sie mein … Dad sind.“
Giovanni hüllte sich in Schweigen und starrte mit unbewegter Miene auf Jack hinunter. Zu seinem Schreck spürte Jack, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Die Brust wurde ihm zu eng, und plötzlich glaubte er, ersticken zu müssen.
Er versuchte, die Tränen mannhaft wegzublinzeln, doch es gelang ihm nur unzureichend. „Wussten Sie … wussten Sie das?“
„Selbstverständlich.“ Giovanni runzelte die Stirn. „Deine Mutter und ich haben ein Arrangement getroffen.“
Ein Arrangement? Seine Mutter und Giovanni hatten ein Arrangement getroffen? Was sollte das heißen? „Ich … ich versteh nicht. Sie sind mein Vater.“
„Ich habe schon einen Sohn, und das ist Carlo.“ Mit diesen Worten schüttelte Giovanni Jacks Hand ab, wandte sich um und ging davon.
Jack blieb wie angenagelt stehen und starrte ihm hinterher. Die Welt um ihn herum krachte mit Getöse in sich zusammen. Giovanni hatte von ihm gewusst. Er hatte die ganze Zeit über gewusst, wer er war.
Sein Vater wollte ihn nicht. Er hatte ihn nie gewollt.
Während er an seine Träume dachte und an seine Pläne und an all die Stunden, die er damit verbracht hatte, sich auszumalen, was er mit seinem Vater alles unternehmen würde, glaubte er fast an seinen Tränen ersticken zu müssen. Er hätte am liebsten laut losgeheult vor Schmerz, Wut und Enttäuschung. Doch er beherrschte sich, die Hände hilflos zu Fäusten geballt.
Sein Vater hatte noch einen Sohn – Carlo. Einen Sohn, den er wollte und auf den er stolz war. Hass und Eifersucht wallten in Jack auf und stählten sein Herz. Oh nein, er würde nicht weinen. Niemals. Carlo, dachte er gleich darauf und stellte fest, dass er den Klang dieses Namens verabscheute.
Jack hob den Blick. Er landete auf Giovanni, der auf der gegenüberliegendes Seite des Raumes stand und mit einem Model sprach. Entschlossen presste der kleine Junge Ober- und Unterkiefer hart aufeinander und schwor sich, dass sein Vater ihn als Sohn anerkennen würde. Eines Tages. Eines Tages würde sein Vater stolz darauf sein, ihn zum Sohn zu haben.
8. KAPITEL
Eines Tages würde sein Vater stolz darauf sein, ihn zum Sohn zu haben.
Dieser Schwur ging Jack seit diesem denkwürdigen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Er stand wie eine Leuchtschrift vor seinem geistigen Auge, die jedes Jahr, das ins Land ging, greller aufscheinen ließ. Jack hatte sich mittlerweile von dem gutgläubigen kleinen Jungen zu einem großspurigen und weltgewandten Sechzehnjährigen entwickelt.
Dieser Tag und dieser Schwur hatten sein Leben verändert. Sie gaben ihm eine Zielrichtung. Damals hatte er sich gelobt, dass er seinem Vater und aller Welt beweisen würde, dass er, Jack, die Liebe seines Vaters verdiente. Er hatte sich vorgenommen, Giovanni schmerzhaft vor Augen zu führen, was er für einen Fehler damit gemacht hatte, seinen unehelichen Sohn zu verleugnen.
Zuerst war ihm vollkommen unklar gewesen, wie er das am besten anstellen könnte, doch das war ihm egal. Alles, was er wusste, war, dass er es irgendwie bewerkstelligen musste, ganz gleich, wie. Es gab Tage, an denen er an nichts anderes dachte. Und irgendwann war ihm die große Erleuchtung gekommen. Er würde seinen Vater auf seinem ureigensten Feld schlagen.
Während seine Mitschüler auf der High School sich mit Sport, Mädchen und Partys vergnügten, plante Jack seine Zukunft. Er las alles, was mit Fotografie zu tun hatte, redete mit jedem Assistenten, den er erwischen konnte, studierte die Technik eines jeden Fotografen ebenso wie
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