Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
für dich und was nicht.“
„Von mir aus, aber in diesem Fall irrst du dich. Es ist eben nicht das Beste für mich.“ Obwohl er wusste, dass es sie verletzen würde, schüttelte er unwillig ihre Hand ab. „Es ist ungerecht. So ungerecht, dass es zum Himmel stinkt.“
„Tut mir wirklich Leid, Jack, aber ich habe meine Entscheidung getroffen, und ich bin nicht gewillt, sie rückgängig zu machen.“
„Vielen Dank, Mom.“ Mit einem letzten wütenden Blick auf sie drehte er sich um und rannte aus dem Zimmer. „Vielen Dank.“
Jack ging zwar zur Schule, aber es hielt ihn dort nicht länger als eine Stunde. Er musst e seinen Halbbruder zu Gesicht bekommen. Und zwar heute. Er wollte ihn kennen lernen. Ganz egal, in welche Richtung die Überlegungen seiner Mutter auch gingen, er würde das tun, was er für richtig hielt.
Das Shooting sollte in Giovannis Studio stattfinden. Dort war Jack schon x-mal vorher gewesen. Giovanni zog diesen Ort, ein riesiges Loft in einer leer stehenden Fabrikhalle, allen anderen Locations vor, weil er es liebte, bei Kunstlicht und vor fast leerem Hintergrund zu fotografieren. Dies gab seinen Fotos diesen leicht surrealistischen Touch, der für Giovannis Aufnahmen typisch war. Er war sein Markenzeichen. Die Kunstkritiker hoben stets hervor, dass seine Bilder auf wirkungsvolle Weise Kunst und Kommerz miteinander verbanden. Sie verstörten den Betrachter. Und sie erzeugten Kontroversen. Sie hatten ihn zum Star gemacht.
Jack wurde ohne Probleme auf den Set vorgelassen. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Tank, Giovannis Türsteher, Leibwächter und Fahrer in einer Person, erkannte ihn wieder, ließ ihn rein und erkundigte sich, warum er sich nur noch so selten blicken ließ.
Jack zuckte die Schultern. „Zu beschäftigt“, gab er kurz angebunden zurück und schlenderte betont lässig auf den Set.
Er registrierte mit Befriedigung, dass er einen guten Zeitpunkt erwischt zu haben schien. Nichts klappte. Giovanni brüllte in gewohnter Manier auf Englisch und Italienisch herum – das Licht war falsch, die Models waren unfähig und die Assistenten zu langsam. Die gesamte Mannschaft stand unter Strom; alle rannten hektisch hin und her, um den Befehlen des Meisters Folge zu leisten.
Niemand nahm Notiz von Jack, und er schaffte sogar die Treppe nach oben, ohne von seiner Mutter entdeckt zu werden. Er suchte sich einen geeigneten Platz auf dem Balkon, von wo aus er die gesamte Szenerie gut im Blick hatte, ohne selbst gesehen zu werden. Dann suchte er ihn. Er brauchte nicht lange zu suchen. Carlo stand neben Giovanni, so nah, dass sich ihre Schultern fast berührten, und las seinem Vater jedes Wort von den Lippen ab. Während Giovanni sprach, lag seine rechte Hand auf der Schulter seines Sohnes. Besitzergreifend. Stolz. Er behandelte Carlo so, wie ein Vater seinen Sohn behandeln sollte.
Jack schluckte schwer, unfähig, den Blick abzuwenden, so sehr ihn das Bild auch schmerzte. Giovanni erklärte Carlo im Moment in aller Ausführlichkeit, warum der Beleuchtung ein so extrem hoher Stellenwert zuzumessen sei, worauf man achten musste und weshalb er im Augenblick mit dem Licht unzufrieden war. Der Vater gab sein Wissen und seine Erfahrung an seinen Sohn weiter.
So wie es Väter im Allgemeinen machten und so, wie Jack es sich in seinen Träumen vorgestellt hatte.
„Hi, Jack.“
Er riss seine Blicke von Carlo und Giovanni los und wandte den Kopf. Gina war die Treppe heraufgekommen und lächelte ihn an. Sie war siebzehn und hatte bereits mit zwölf angefangen, für Modefotografen Modell zu stehen. Mit ihrem hautengen Satinkleid, dem hoch auf dem Kopf aufgetürmten Haar und den langen, funkelnden Ohrgehängen wirkte sie wie fünfundzwanzig und sexy wie die Sünde. Sie hatte schon in vielen seiner jugendlichen Sexphantasien eine tragende Rolle gespielt.
Jack grinste. „Hi, Gina.“
„Das ist Giovannis Sohn“, flüsterte das Model ehrfürchtig, während sie seinem Blick folgte. „Carlo.“
Giovannis Sohn. Diese Worte trafen ihn wie ein rechter Haken in den Magen. Ihm stockte der Atem, und einen Augenblick brachte er kein Wort heraus. „Ja?“ fragte er gedehnt, nachdem sein Atem wieder normal geworden war. „Wie kommt’s, dass ich ihn früher noch nie zu Gesicht bekommen hab?“
„Er ist erst seit ein paar Monaten hier.“ Sie hob die Hand, um sich eine Locke aus der Stirn zu streichen, ließ sie jedoch gleich wieder fallen eingedenk der Tatsache, dass es jedem Model strengstens
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