Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
untersagt war, Gesicht oder Haar zu berühren, um nicht die stundenlangen Bemühungen der Maskenbildnerinnen zunichte zu machen.
Sie lehnte sich näher zu Jack herüber. „Seine Mutter hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Man erzählt sich, dass er sie gefunden hat. Hart, findest du nicht auch?“
Jack wurde die Brust eng. Es war für ihn unvorstellbar, dass seine Mutter so etwas je tun würde. Vor allem nicht, wenn Gefahr bestand, dass er sie womöglich finden könnte. „Ziemlich“, murmelte er und verdrängte rasch das Mitleid, das in ihm aufstieg.
Gina legte ihm eine Hand auf den Arm. „Sieht genau aus wie sein Vater. Cooler Typ, findest du nicht auch?“
Ohne sein Zutun verflog nun auch noch der letzte Rest von Mitleid. Ihm war, als griffe eine eisige Hand nach seinem Herzen. Er hatte Mühe zu atmen. Carlo sah aus wie Giovanni. Er hatte das schwarze Haar und die dunklen Augen von seinem Vater geerbt, seine Gestalt und seinen Teint – all die Dinge, von denen Jack sich so lange Zeit sehnlichst gewünscht hatte sie zu besitzen.
Er schaute das Model finster an. „Wenn man auf so südländische Typen steht.“
Gina kicherte. „Sara ist ganz verrückt nach ihm.“
Nicht in der Stimmung für irgendwelche Spielchen hob er die Augenbrauen und schaute sie fragend an. „Was willst du denn damit sagen?“
Sie lehnte sich wieder näher zu ihm herüber. „Ich hab gehört, dass Sara und er es miteinander treiben.“
Jack fühlte sich in eine Duftwolke eingehüllt, ihre Brust streifte seinen Arm. Sein Körper reagierte; sein Mund wurde trocken.
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, nehme ich an.“ Sie strich mit ihren Fingerspitzen ganz zart über seinen Unterarm. „Ich hab gehört, Carlo treibt’s ziemlich toll. Ein richtiger Don Juan. Ganz der Vater.“
Jack schluckte schwer, als Gina sich über die Balustrade beugte. Seine Blicke landeten ohne sein Zutun auf ihrem offenherzigen Dekolletee, das jetzt zwei kleine, runde Brüste fast ganz freigab. „Von mir aus“, murmelte er, während er spürte, wie seine Jeans enger und enger wurde. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen, wobei er allerdings keinen Gedanken mehr an Carlo verschwendete, sondern sich vorstellte, wie er es trieb. Mit Gina. „Aber wahrscheinlich protzt er ja bloß rum.“
„Mmmm. Ich hab’s aber von Sara selbst gehört.“ Sie kicherte wieder und warf einen erschrockenen Blick nach unten auf den Set. „Oh Gott, ich muss sofort runter.“ Sie drückte seinen Arm. „Bis später, okay?“
Mit wild klopfendem Herzen und trockenem Mund schaute er ihr nach, wie sie leichtfüßig die Treppe hinunterlief. Einmal hatte er Gina schon geküsst. Aber nur ein einziges Mal. Jetzt plötzlich sah er es wieder vor sich, wie sie in der halbdunklen Garderobe einen feuchten, heißen Kuss getauscht hatten. Sein Penis drückte sich hart gegen seinen Bauch.
Leider waren sie dann gestört worden. Er hätte sie gern noch einmal geküsst. Eigentlich – um der Wahrheit die Ehre zu geben – hatte er damals in der dunklen Garderobe beabsichtigt, noch weiter zu gehen. Viel weiter.
Und er wollte es noch immer. Er wollte es so sehr, dass es schon fast wehtat.
Er griff sich – unauffällig, wie er hoffte – in den Schritt und rückte seine Jeans wieder zurecht, dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut Carlo und Giovanni zu. Ob da was dran war? Hatte Carlo es wirklich mit Sara getrieben?
Er machte ein finsteres Gesicht. Neid stieg in ihm auf. Er wollte es nicht glauben, aber Gina und Sara, die gleichaltrig waren und zur selben Zeit angefangen hatten zu modeln, waren seit fünf Jahren eng befreudet. Warum sollte Sara Gina anschwindeln.
Was bedeutete, dass sein Bruder schon mit einem Mädchen geschlafen hatte. Etwas, wovon er, Jack, bisher nur geträumt hatte. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, hatte Gina gesagt. Sein Vater war nicht nur allein für seine herausragenden Fotografien berühmt. Schon vor vielen Jahren hatte Jack mitbekommen, wie die Models hinter vorgehaltener Hand darüber tuschelten, was für ein atem beraubender Liebhaber Giovanni angeblich sei. Und Carlo, so schien es, trat genau in die Fußstapfen seines Vaters.
Eine Stunde verging. Während Giovanni ganz in seine Arbeit vertieft war, schlenderte Carlo auf dem Set herum, plauderte mit den Assistenten und Maskenbildnerinnen und schäkerte mit den Models. Jack ließ ihn nicht aus den Augen, während sich Wut und Abneigung gegen seinen Halbbruder immer mehr Bahn brachen.
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