Gefangene Seele
Auffahrt einbog und auf das Haus zusteuerte. Er hatte auf seinem Weg zu Sam bemerkt, dass die Fernsehteams nicht mehr in der Nachbarschaft waren. Wahrscheinlich gab es eine neue Nachricht, die die Geschichte der Frau, die nach langer Zeit nach Hause zurückgekehrt war, verdrängt hatte.
Er hatte auf seiner langen Reise intensiv darüber nachgedacht, wie er Jade darin unterstützen könnte, die Frau zu werden, die sie eigentlich war. Und er wusste, dass noch viel mehr in ihr steckte, als sie jetzt zu erkennen glaubte. Auch wenn es ihn schmerzte, musste er sich eingestehen, dass Jade Zeit für sich brauchte. Er musste sich ein wenig zurückziehen, um ihr Zeit für sich zu geben, auch wenn es schlimm für ihn war.
Jade musste lernen, dass sie sich auf sich selbst verlassen konnte, und dass sie stark war. Und das würde nicht passieren, wenn er die Rolle von Raphael übernehmen und sie vor allem beschützen würde, dem sich Jade nicht stellen wollte.
Mit gemischten Gefühlen parkte er den Wagen vor Sams Haus. Bevor er seine Gedanken sammeln konnte, stand Jade schon in der Tür. Er sah sie und winkte ihr, als er ausstieg.
Und dann rannte sie auf ihn zu. Die Sonne strahlte ihr ins Gesicht und ihre Haare wehten im Wind. Er fing sie auf und wirbelte sie herum. Sie hatte die Arme um seinen Nacken gelegt und ihr Hinterkopf lag auf seinem Arm, als er sich mit ihr um die eigene Achse drehte. Dann spürte er ihre Lippen auf seinem Mund und hörte ihr Gelächter, als sie seinen Namen nannte.
Er war zu Hause angekommen.
* * *
Luke hatte mit Sam und Jade zu Abend gegessen. Paul und Shelly Hudson waren auch dazugekommen. Luke fiel auf, dass Shelly alles Mögliche tat, um Jade das Gefühl zu vermitteln, dass sie von allen sehr geschätzt würde.
Während des Essens hatten alle ihn ausgefragt. Er hatte sich Mühe gegeben, alle ihre Fragen zu beantworten, ohne ihnen etwas zu versprechen, das nicht in seiner Macht lag. Dennoch war Luke davon überzeugt, dass sowohl Lawson als auch Jacks hinter Gitter kommen würden. Was Luke allerdings nicht wusste, war, dass die Skizzen, die Jade von den Männern gemacht hatte, bereits in allen Zeitungen abgedruckt worden waren.
“Jade, wie findest du das?”, fragte er.
“Was? Meinst du, dass die Leute, die mich kennen, wissen, dass all diese Männer …”
“Nein!”, unterbrach er sie. “Was ich meinte war, glaubst du, dass all diese Männer auch vor Gericht landen?”
“Oh.” Sie dachte darüber einen Augenblick nach und schüttelte dann den Kopf. “Nein, nicht im Ernst. Ich meine, ich war nicht die Einzige, die missbraucht worden ist. Die anderen Mädchen, die bei den People of Joy waren, haben dasselbe durchgemacht wie ich. Dass die Zeitungen das jetzt bringen, reicht mir. Ich weiß, dass ich wenig Aussicht auf Erfolg hätte, wenn ich jetzt Anzeige gegen unbekannt stellen würde. Wie könnte ich etwas beweisen? Das ist fast unmöglich. Allerdings ist ja ein schlechtes Gewissen schon Strafe genug, nicht wahr, Daddy?”
Sam wurde mit jedem Tag stolzer auf seine Tochter. Während er gern gesehen hätte, dass alle Täter gekreuzigt würden, war er nun damit zufrieden, dass der Mann, der Jade verletzt hatte, und der andere, der sie verkauft hatte, verurteilt wurden.
“Da hast du recht, Liebling. Wie sieht es aus, mögt ihr noch Nachtisch? Velma hat einen Schokoladenkuchen gebacken.”
“Sicher”, sagte Luke.
“Ich auch”, fügte Jade hinzu.
“Ich glaube, ich sollte verzichten”, sagte Shelly. “Aber ich nehme trotzdem ein Stück.”
Paul tätschelte sich den Bauch. “Da ist noch Platz für ein Stück.”
“Das habe ich gehört”, sagte Velma, die gerade mit einem Tablett hereinkam. Auf jedem der Teller lag ein Stück Schokoladenkuchen mit einer Kugel Vanilleeiscreme.
“Und was, wenn wir keinen Nachtisch gewollt hätten?”, fragte Sam.
“Dann würde ich heute Abend den Nachtisch allein essen, oder?”, gab Velma mit einem Zwinkern zurück und alle lachten.
Später gingen die Hudsons heim und versprachen, die Einladung bald zu erwidern. Auch Velma ging bald danach nach Hause, und Sam ging früh in sein Zimmer, um noch vor dem Schlafengehen zu lesen.
Luke und Jade hatten endlich Zeit füreinander. Luke wusste, dass er würde bleiben können, aber er war der Meinung, dass er es nicht tun sollte. Jade war dabei, ihr Leben aufzuräumen, und er verhielt sich wieder so, als wolle er sie beschützen. Das führte nicht in die richtige Richtung. Nur wusste er nicht, wie
Weitere Kostenlose Bücher